Seit dieser Woche läuft die Handball-WM in Ägypten – wenn auch coronabedingt mit starken Einschränkungen. So wie auch den Fußballspielen im TV können Trainer auch diesen Partien folgen und sie unter trainingsorientierten Gesichtspunkten anschauen. Dieser "Blick über den Tellerrand" ermöglicht gegebenenfalls auch dem Fußballtrainer wertvolle Erkenntnisse, die sich zu gegebener Zeit auch im Training mit der eigenen Mannschaft anwenden lassen. Wir geben einen Überblick.
Heute Abend um 18 Uhr deutscher Zeit startet die deutsche Mannschaft mit der Partie gegen Uruguay in die Handball-WM. Sicher wird auch der ein oder andere Fußballtrainer dabei die Daumen drücken. Neben einer kleinen Abwechslung im Corona-Alltag können dabei durchaus auch gute Ideen entstehen, die das eigene Training nach Corona noch variabler werden lassen. Vielleicht ist sogar auch der eine oder andere Spielzug oder Laufweg für Spiele der eigenen Mannschaft im Fußball geeignet.
Fußball und Handball gehören zu den sogenannten "Zielschussspielen" und sind damit im Prinzip sogar miteinander verwandt. Auch wenn sich erwachsene Handballer mehr oder weniger von Kreis zu Kreis bewegen, so haben Kinder und Jugendliche aufgrund der bestehenden Rahmentrainingskonzeption auch das Spiel auf dem ganzen Feld und Mann gegen Mann gelernt. Unter der Leitlinie "Abwehr strukturiert Angriff" sind offensive Abwehrformen (Manndeckung, sinkende Manndeckung, offensive Raumdeckung usw.) verpflichtend vorgegeben, eine reine Kreisabwehr im Mannschaftsverbund in jüngeren Altersklassen verboten.
Das Spiel in großen Räumen bevorteilt die Angreifer. Hauptaufgabe für die Angreifer ist es deshalb, die vorhandenen Räume in Breite und Tiefe durch aktiven Zugriff zu nutzen, wobei insbesondere das Umspielen (1 gegen 1 mit Ball) gegenüber dem Umlaufen (1 gegen 1 ohne Ball) im Vordergrund stehen sollte. In älteren Altersklassen gerät dies durch einen fehlenden direkten Zugriff der Verteidiger zunehmend in den Hintergrund. Der Fokus verschiebt sich in Richtung eines strukturierten Laufspiels zur Überwindung von kompakten Abwehrstrukturen und schneller Tempogegenstößen nach Ballgewinnen.
Im Fußball ist das kaum anders: Auch hier sollen Kinder lernen, ihre Gegner aktiv im 1 gegen 1 auszuspielen. Nach einem gezielten Ballgewinn in älteren Altersklassen werden auch hier das schnelle und präzise Spiel in die Tiefe sowie das schnelle Umschalten geschult.
Handballspezifische Elemente zwischenzeitlich auch in das Fußballtraining zu integrieren, macht auch aus einem ganz anderen Grund noch absolut Sinn: Übungen mit der Hand dienen als wertvolle Ideengeneratoren für die Ausbildung elementarer taktischer Verhaltensweisen sowie der Ballkoordination im Fußball. Es ist deutlich einfacher, Bewegungsabläufe zu verstehen, durchzuführen und zu automatisieren, die zuvor mit der Hand durchgeführt wurden als sofort mit dem Fuß. So lassen sich schnell auch koordinativ anspruchsvollere Aufgabenstellungen und komplexere Inhalte verwirklichen.
Eine gute Ballkoordination lässt sich dabei in diesen Tagen auch im Eigentraining sehr gut trainieren. Diese verbessert durch verwandte Abläufe im Gehirn auch das Ballgefühl mit dem Fuß. Und selbstverständlich sind ähnliche Übungen auch im Torhütertraining seit Langem bekannt und beliebt. Einige mögliche Aufgabenstellungen für das Eigentraining zuhause stellen wir nachstehend vor:
Auch im Handball sind die Grundtechniken die Basis für alle Spielhandlungen. Und auch hier dienen sie nicht zum Selbstzweck. Das im Handball entwickelte Vier-Phasen-Modell für den Technikerwerb bietet dabei auch für den Fußball interessante Ansatzpunkte.
Zunächst erlernen die Spieler die Grundstruktur einer Technik. In Orientierung an einem Technikleitbild werden dabei die wesentlichen Technikmerkmale vermittelt (und im Übungsverlauf bei Bedarf korrigiert).
Hier sollen die Spieler Ausführungsvariationen der Grundtechnik entwickeln, die bestimmten (spielnahen) Anwendungsvariablen Rechnung tragen.
In der dritten Phase geht es darum, die in der jeweiligen Spielsituation angemessene Technik auszuwählen und sie unter den situativen Druckbedingungen (Raum-, Zeit-, Gegnerdruck) erfolgreich auszuführen.
Jetzt sollen die Spieler befähigt werden, die Technik unter Wettkampfbedingungen – einschließlich der immanenten Störgrößen (Zuschauer, psychischer Druck, Ermüdung) – stabil abrufen zu können.
Mit einer guten technischen Grundlage sollen die Spieler abschließend befähigt werden, in den jeweiligen Spielsituationen die richtigen Entscheidungen zu treffen und diese erfolgversprechend umzusetzen. Zuschauer als "Störgröße" werden bei der WM in Ägypten zwar nicht vor Ort sein, aber ein gewisser Leistung- und Erfolgsdruck ist bei einer Weltmeisterschaft sicher immer vorhanden. Wie es der deutschen Mannschaft im Vergleich mit den anderen Nationen gelingt, ihre Stärken in Szene zu setzen, kann dabei am Fernseher intensiv verfolgt werden.
Und wer weiß, vielleicht lässt sich ja auch die eine oder andere Verhaltensweise von Spielern in auftretenden Spielsituationen auch auf den Fußball anwenden. Kreative Trainer an den Fernsehbildschirmen werden hier sicher geeignete Ansatzpunkte finden!