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"Ohne das Ehrenamt geht gar nichts!"

Prof. Dr. Eike Emrich, Leiter des Arbeitsbereiches Sportökonomie und Sportsoziologie an der Uni Saarland spricht im Schwerpunkt-Interview über die Entwicklung des Amateurfußballs, Wünsche der Vereine und die Chancen des Amateurfußball-Kongresses.

Training & Wissen online: Herr Emrich, woran denken Sie beim Begriff „Amateurfußball“?

Prof. Dr. Eike Emrich: In erster Linie an Geselligkeit, Mannschaftsgeist, Geschlossenheit, Freude am Spiel , Gleichheit unter den Anwesenden und auch an Leistung. Das sind die zentralen Motive der Spieler im Amateurfußball, Fußball zu spielen. Sie sind aber auch wesentlich für die Zuschauer, zu Fußballspielen zu gehen.

TWO: Ist das Ihre Privatmeinung oder Ihre berufliche?

Emrich (lacht): Sowohl als auch. In diesem Fall gibt es keine Diskrepanz. Durch unsere Studien bin ich in der glücklichen Lage, die persönliche Meinung in diesem Punkt bestätigt zu bekommen.

TWO: Seit wann erstellen Sie wissenschaftliche Studien zum Fußball?

Emrich: Meine erste Studie zum Fußball habe ich 1992 veröffentlicht.

TWO: Worum ging es dabei?

Emrich: Um die Frage, ob Fußball „Arbeit“ ist, nur weil man Geld dafür erhält. Also: Würden Fußballprofis auch Fußball spielen, wenn Sie weniger Geld dafür bekämen?

TWO: Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

Emrich: Die meisten würden auch für weniger Geld spielen. Das primäre Motiv ist die Freude am Spiel. Wenn das noch sehr gut bezahlt wird, ist das besonders angenehm. Erfolgreicher Fußballer wird man also nur, wenn man die Freude am Spiel verinnerlicht. Man muss also erst fußballbegeistert sein, wenn man Geld damit verdienen will, sonst hält man das „Geschäft“ nicht auf Dauer durch.

TWO: Die Freude am Spiel ist beim Amateurfußball erfahrungsgemäß gegeben. Was hat sich hier in den letzten 20 Jahren geändert?

Emrich: Die Kommerzialisierung und der Einfluss des Geldes sind auch im Amateurfußball zu beobachten und zwar erwartungsgemäß umso stärker, je höher die Spielklasse. Gleichzeitig sind die alten Orientierungen des Amateurfußballs wie Amateurgeist, Geselligkeit, Miteinander und Mannschaftsdienlichkeit nach wie vor präsent, also umgangssprachlich ein Image aus Ascheplatz, bolzenden Männermannschaften und dem Bierchen danach. Gemeinschaft und Geselligkeit verbunden mit sportlicher Aktivität unter Seinesgleichen in gewohnter Umgebung. Genau aus dieser Entwicklung von Tradition und Kommerzialisierung ergibt sich das Spannungsfeld im Amateurfußball.

TWO: Wie meinen Sie das genau?

Emrich: Je höher die Leistungsklasse im Amateurfußball ist, desto weniger fühlen sich Vereine vom DFB unterstützt und desto stärker beklagen sie sich über die Kommerzialisierung und deren Folgen, die sie gleichzeitig vorantreiben. Insofern steigt bei Ihnen die Anzahl der bezahlten Kräfte, sowohl auf der Spieler- als auch auf der Mitarbeiterseite. Dadurch wird der finanzielle Druck auf die Vereine größer. Doch neben den zentralen Einnahmequellen Mitgliedsbeiträge, Spenden, und Gaststätten finden sich kaum weitere Finanzquellen. Wir haben also stärkere finanzielle Anforderungen bei gleichbleibenden Geldquellen und man will weiter erfolgreich Fußball spielen. Dazu kommt dann das Gefühl, dass der DFB sich ein Stück weit vom Amateurfußball entfernt und der Kommerzialisierung insgesamt Vorschub leistet.

TWO: Beweisen die Ergebnisse Ihrer Studien die Annahmen, dass sich der DFB von den Amateuren entfernt?

Emrich: Der DFB wird in der Wahrnehmung der Amateure vorschnell mit dem bezahlten Fußball identifiziert. Hier mag die unterschiedliche mediale Gewichtung zwischen Amateur- und Profifußball eine Rolle spielen. Gleichzeitig aber wird der DFB als mächtig und sportpolitisch kompetent im deutschen Sport wahrgenommen. Dabei unterscheiden die Vereine nicht systematisch zwischen DFB und Landesverbänden. Insofern wäre es wünschenswert, wenn die Verbände wieder näher an die Vereine an der Basis heranrückten.

TWO: Was sind die konkreten Wünsche der Vereine?

Emrich: Weit mehr als die Hälfte aller Ehrenamtlichen bekommen keinen Cent für ihre Arbeit und bringen dazu noch eigene Mittel mit ein. Sie möchten auch kein Geld von ihrem Verein, aber sie plädieren zum Beispiel für steuerliche Erleichterungen. Die Ehrenamtlichen möchten, dass ihr Verein finanziell unbelastet bleibt, aber der Steuerzahler etwas dazu beiträgt, dass Gemeingüter – also Fußball- und Freizeitangebote - produziert werden; eine interessante sportpolitische Aufgabe für den DFB.

TWO: Gibt es weitere Wünsche?

Emrich: Ja. Mehr Beratung im Bereich Finanzmanagement, Hilfen bei der Ausbildung pädagogisch gut qualifizierter Trainer, um die Kinder dauerhaft zu binden und Hilfen bei der Entwicklung altersspezifischer Angebote, zum Beispiel der Fußball für Ältere.

TWO: Die meisten Ehrenamtlichen sind über 50 Jahre. Wie könnten die Vereine jüngere Menschen werben?

Emrich: Je jünger die Ehrenamtlichen sind, desto häufiger wollen sie Erfahrungen und Qualifikationen, von denen sie beruflich profitieren können, im Ehrenamt erwerben. Insofern sollte man überlegen, wie eine Anerkennung für im Ehrenamt erworbene Qualifikationen aussehen könnte, die mit in die Welt außerhalb des Sports übertragen werden kann. Auch eine sportpolitische Kampagne mit dem Ziel, ehrenamtliches Engagement als positives Argument stärker bei beruflichen Bewerbungen zu berücksichtigen, kann helfen. Außerdem muss man die Selbstverwaltung der Jugend im Fußballverein ernst nehmen. So gewinnt man Ehrenamtler für morgen.

TWO: Durch Ihre Studien kennen Sie nicht nur die Vereinsansichten. Was tut der DFB bereits, um die Ehreamtlichen zu unterstützen?

Emrich: Der DFB ist sehr aktiv, zum Beispiel auf dem Gebiet der Aus- und Weiterbildung sowie der Bereitstellung von Informationen für Vereinsmitarbeiter aller Art. Die elektronischen Medien haben ein breites, qualitativ hohes Angebot, die Kurzschulungen kommen bis ins Vereinsheim, und es gibt genügend Anreize, an Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen. Dabei muss man ja bedenken, dass die Aktivitäten des DFB grundsätzlich mit den Landesverbänden abzustimmen sind. Nicht zu übersehen ist, dass der DFB auch für einen erheblichen Legitimationstransfer in den Fußball gesorgt hat, indem er offen für Integration und Fairplay eintritt. Dazu kommt eine außerordentlich aufwändige Talentarbeit.

TWO: Wie sehen Sie die Entwicklungen im sozialen Bereich?

Emrich: Dort ist viel gelungen. Stiftungen, Aktion Ehrenamt, Integration. Hier wird vorbildliche Arbeit geleistet. Der Fußball ist allgegenwärtig. Man muss aber sicherlich darauf achten, die Balance nicht zu verlieren zwischen sozialen Aufgaben und der Kernfunktion des DFB und seiner Landesverbände, nämlich Rahmenbedingungen für die Organisation von Fußball bereitzustellen, damit Vereine Fußball spielen können. Die sozialen Leistungen sind insofern eine erwünschte Nebenfolge von Fußballspielen, das stets im Mittelpunkt zu stehen hat. Man darf hier nicht Mittel und Zweck verwechseln.

TWO: Was macht den Fußball so stark?

Emrich: Ganz einfach, das Spiel an sich: Fußball ist wahrscheinlich die „demokratischste“ Sportart der Welt. Man kann mit zwei Metern und 110 Kilo genauso erfolgreich spielen wie mit 1,60 m und 50 Kilo. Jeder hat die Chance, seinen Platz zu finden und erfolgreich zu spielen. Das ist bei Individualsportarten zum Beispiel in der Leichtathletik anders. Dazu kommt die Faszination des Spiels, in dem man versucht, mit einem ungebildeten Organ, dem Fuß, einen runden Gegenstand zu beherrschen; eine fast unlösbare Aufgabe, die immer wieder Überraschungen bietet. Und letztlich: auf dem Platz geht es zu wie im Leben, hart trainiert, überlegen gespielt und am Ende mit Pech verloren, das Spiel entzieht sich eben der Berechenbarkeit, wie sich in jedem Pokalwettbewerb zeigt.

TWO: Wie spiegelt sich der Erfolg in der Organisation wieder?

Emrich: Der DFB hat den Vorteil, dass Fußball immer im öffentlichen Bewusstsein ist. Wenn Sie an der Bushaltestelle jemanden treffen, können Sie über zwei Sachen reden: Fußball und das Wetter. Fußball ist ein öffentliches Thema, deshalb haben Medien und Politik sehr viel Interesse daran. Das erleichtert in öffentlichen Debatten entscheidend die Legitimation des Fußballs. Dadurch hat er gute Chancen, mittel- und langfristig, seine Interessen durchzusetzen und Ressourcen zu bekommen. Insofern wird ein spannendes Spiel von vielen geschätzt, dann vielfach medial darüber berichtet und gesellig darüber kommuniziert, was wiederum dazu führt, dass es im öffentlichen und privaten Bewusstsein stärker verankert wird als andere Sportarten.

TWO: Was sind Stärken und Schwächen eines typischen Amateurfußball-Vereins?

Emrich: Das ist eine hochkomplexe Situation, weil die Stärken gleichzeitig die Schwächen sind. Erstens: Auf der Führungsebene und auf der Ebene der Leistungserstellung kann im Fußball jeder mitarbeiten, der sich engagieren will und eine Fußballvergangenheit hat. Nicht immer aber liegen die Voraussetzungen dafür vor, was wiederum bedeutet, dass manche Ehrenamtliche überfordert sind. Zudem werden alte Fußballkameraden auch gestützt, wenn sie den Anforderungen des Amtes nicht ganz genügen. Zweitens: Es gibt einen ungeheuren Zuspruch von Kindern und Jugendlichen. Dieses Humankapital muss man binden, aber dazu sind Investitionen nötig, die jedoch häufig für die steigenden finanziellen Anforderungen des Erwachsenenfußballes benötigt werden. Das verhindert ein stärkeres Investment für die Zukunft. Drittens: Im Fußball passiert alles per mündlicher Mitteilung, zum Beispiel abends beim Bier im Vereinsheim. Daraus entwickelt sich gleichzeitig eine Abneigung gegenüber Strategieplänen und klarem Finanzmanagement und -controlling.

TWO: Hört sich nach einer ambivalenten Situation an?

Emrich: Genau. Das Ausbalancieren dieser Pole macht die Qualität des Vereinsmanagements aus. Einerseits das Gemeinschaftsgefühl erhalten, aber klare Strategien verfolgen, insbesondere im Finanzbereich und im Bereich der Fußballentwicklung. Letztlich muss man erkennen, dass bei allem Gemeinschaftsdenken im Fußball sich Amateurspieler in höheren Leistungsklassen an kommerziellen Anreizen ausrichten und dazu braucht man andere Formen des Finanzmanagements als bei klassischen Amateuren. Einerseits hat man Trainer mit Vereinsvergangenheit und fühlt sich ihnen gegenüber verpflichtet, andererseits muss man im Spitzenamateurbereich auch qualifizierte Trainer bezahlen, wenn man leistungsmäßig mithalten will. Im Kinder- und Jugendbereich muss man in ihre Qualifikation investieren, weil zum Beispiel ihre pädagogische Qualität entscheidend wird, um Kinder langfristig zu binden. Kinder bleiben dann im Fußball, wenn unter ihnen ein Gemeinschaftsgefühl entwickelt, aber gleichzeitig muss der Fußball heute auch der Konkurrenz vieler konkurrierender Genüsse standhalten, und dazu braucht man Investitionen, qualifiziertes Personal und auch gute außersportliche Angebote.

TWO: Fußball, Vereine, Verbände. Hinter all diesen Begriffen stehen einzelne Personen. Haben sich die Ehrenamtlichen in den letzten Jahren geändert?

Emrich: Eigentlich nicht, obwohl die Gegebenheiten durchaus komplexer geworden sind. Wir haben eine wesentlich stärkere mediale Beobachtung, selbst auf lokaler Ebene. Vieles, was die Ehrenamtlichen mittlerweile tun, wird stärker beobachtet und bezogen auf das Ergebnis öffentlich reflektiert. Lokalnachrichten und Internetplattformen berichten sehr intensiv.

TWO: Das ist doch positiv, oder?

Emrich: Jein, der Zwang der Medien, Nachrichten gewinnbringend zu verkaufen, führt dazu, dass negative Nachrichten bevorzugt werden, was wiederum die ehrenamtlich im Fußball Tätigen zu mehr Selbstbeobachtung und Vorsicht zwingt, weil sie in ihrem Handeln das mediale öffentliche Urteil gedanklich vorwegnehmen müssen. Dazu kommen gesteigerte Erwartungen der Bezugspersonen, zum Beispiel der Eltern. Ich nenne das das Prinzen- und Prinzessinensyndrom. Die Eltern sehen ihre Kinder in Gedanken schon in der Bundesliga. Statt sie einfach mal spielen zu lassen und die Kinder im Training eine Stunde aus der elterlichen Aufsicht zu entlassen, wird das Training am Rande des Platzes stehend beobachtet, werden die Kinder gepusht und die Trainer kritisch beäugt. Dort ist viel, manchmal zuviel, elterliche Aufmerksamkeit, Behütung und Aufsicht.

TWO: Gibt es weitere Veränderungen?

Emrich: Allen politischen Versprechungen zum Trotz werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Ausübung weiter erschwert. Ein Ehrenamtlicher muss sich fast täglich fragen: Verstoße ich gegen geltendes Recht und welche Risiken trage ich als Privatperson? Eine völlig paradoxe Entwicklung. Die Politik betont die Notwendigkeit des ehrenamtlichen Engagements und erschwert durch Komplexitätssteigerung und Haftungsrisiken die Rahmenbedingungen. Im Prinzip haben doch nur Steuerberater und Rechtsanwälte keine Orientierungsschwierigkeiten in diesem Dickicht der rechtlichen Rahmenbedingungen.

TWO: Jede Menge Herausforderungen also. Wie kann der Amateurfußball-Kongress den Vereinen helfen?

Emrich: Zunächst einmal sehe ich ein wichtiges Signal durch den Amateurfußball-Kongress, welches heißt: Der DFB kümmert sich um den Amateurfußball. Außerdem dient der Kongress dem gedanklichen Austausch mit den Ehrenamtlichen. Wissenschaftliche Befunde werden mit der empfundenen Wirklichkeit der Verantwortlichen verglichen. Nach diesem Abgleich wird über Konsequenzen diskutiert; nicht von oben herab, sondern mit dem Wissen um die Bedingungen vor Ort. Wir liefern nur Bausteine. Die Vereinsverantwortlichen sollen dann eigene Strategien entwickeln. In der Folge werden sich der DFB und die Landesverbände dann damit befassen müssen, wie sie die Problemanalysen und Handlungsstrategien, die während des Kongresses geleistet bzw. entwickelt werden, immateriell und materiell unterstützen können.

TWO: Das heißt, der gemeinsame Austausch ist der entscheidende Schritt.

Emrich: Absolut. Es wird kein Kongress, bei dem es nur wissenschaftlichen Input gibt und die Leute dann nach Hause gehen. Ganz im Gegenteil. Wir geben stark gebündelte Informationen und Anregungen zur Diskussion. Danach liegt die Hauptarbeit bei den Teilnehmern selbst. Sie sollen sich in Gruppenarbeiten, unterstützt durch Moderatoren, der wichtigen Themen annehmen.

TWO: Was ist Ihre Rolle beim AFK?

Emrich: Einerseits Informationen liefern und vorstellen. Andererseits die Diskussionen auch in den Kleingruppen verfolgen. Nicht als Lenker, sondern um Rückfragen zu beantworten und bei Lösungsvorschlägen zu helfen.

TWO: Was fasziniert Sie nach 20 Jahren noch an der ehrenamtlichen Vereinsarbeit?

Emrich: Ich habe ein Herz für alle Ehrenamtlichen, die ihre Zeit opfern, kein Geld erhalten, deren Ehefrauen am Wochenende noch den Kuchen fürs Vereinsfest backen, die Kinder zum Sport fahren und noch nie gefragt haben, was sie dafür bekommen. Dieser Teil des Ehrenamts hat fast keine öffentlichen Identifikationsfiguren und nur wenig Lobby. Aber ohne die Ehrenamtlichen geht gar nichts, da ist der Sport nicht durchführbar. Im Mittel arbeitet ein Ehrenamtlicher im SWFV ca. 11,6 Stunden /Woche. Wenn man das auf das gesamte Land hochrechnet, hat man über das ehrenamtliche Engagement im Fußball einen wirtschaftlichen Effekt von rund 1,8 Milliarden Euro, das ist viel, auch im Vergleich zum Umsatz des bezahlten Ligafußballs.

[PS]

[bild1] Prof. Dr. Eike Emrich, Leiter des Arbeitsbereiches Sportökonomie und Sportsoziologie an der Uni Saarland spricht im Schwerpunkt-Interview über die Entwicklung des Amateurfußballs, Wünsche der Vereine und die Chancen des Amateurfußball-Kongresses.

Training & Wissen online: Herr Emrich, woran denken Sie beim Begriff „Amateurfußball“?

Prof. Dr. Eike Emrich: In erster Linie an Geselligkeit, Mannschaftsgeist, Geschlossenheit, Freude am Spiel , Gleichheit unter den Anwesenden und auch an Leistung. Das sind die zentralen Motive der Spieler im Amateurfußball, Fußball zu spielen. Sie sind aber auch wesentlich für die Zuschauer, zu Fußballspielen zu gehen.

TWO: Ist das Ihre Privatmeinung oder Ihre berufliche?

Emrich (lacht): Sowohl als auch. In diesem Fall gibt es keine Diskrepanz. Durch unsere Studien bin ich in der glücklichen Lage, die persönliche Meinung in diesem Punkt bestätigt zu bekommen.

TWO: Seit wann erstellen Sie wissenschaftliche Studien zum Fußball?

Emrich: Meine erste Studie zum Fußball habe ich 1992 veröffentlicht.

TWO: Worum ging es dabei?

Emrich: Um die Frage, ob Fußball „Arbeit“ ist, nur weil man Geld dafür erhält. Also: Würden Fußballprofis auch Fußball spielen, wenn Sie weniger Geld dafür bekämen?

TWO: Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?

Emrich: Die meisten würden auch für weniger Geld spielen. Das primäre Motiv ist die Freude am Spiel. Wenn das noch sehr gut bezahlt wird, ist das besonders angenehm. Erfolgreicher Fußballer wird man also nur, wenn man die Freude am Spiel verinnerlicht. Man muss also erst fußballbegeistert sein, wenn man Geld damit verdienen will, sonst hält man das „Geschäft“ nicht auf Dauer durch.

TWO: Die Freude am Spiel ist beim Amateurfußball erfahrungsgemäß gegeben. Was hat sich hier in den letzten 20 Jahren geändert?

Emrich: Die Kommerzialisierung und der Einfluss des Geldes sind auch im Amateurfußball zu beobachten und zwar erwartungsgemäß umso stärker, je höher die Spielklasse. Gleichzeitig sind die alten Orientierungen des Amateurfußballs wie Amateurgeist, Geselligkeit, Miteinander und Mannschaftsdienlichkeit nach wie vor präsent, also umgangssprachlich ein Image aus Ascheplatz, bolzenden Männermannschaften und dem Bierchen danach. Gemeinschaft und Geselligkeit verbunden mit sportlicher Aktivität unter Seinesgleichen in gewohnter Umgebung. Genau aus dieser Entwicklung von Tradition und Kommerzialisierung ergibt sich das Spannungsfeld im Amateurfußball.

TWO: Wie meinen Sie das genau?

Emrich: Je höher die Leistungsklasse im Amateurfußball ist, desto weniger fühlen sich Vereine vom DFB unterstützt und desto stärker beklagen sie sich über die Kommerzialisierung und deren Folgen, die sie gleichzeitig vorantreiben. Insofern steigt bei Ihnen die Anzahl der bezahlten Kräfte, sowohl auf der Spieler- als auch auf der Mitarbeiterseite. Dadurch wird der finanzielle Druck auf die Vereine größer. Doch neben den zentralen Einnahmequellen Mitgliedsbeiträge, Spenden, und Gaststätten finden sich kaum weitere Finanzquellen. Wir haben also stärkere finanzielle Anforderungen bei gleichbleibenden Geldquellen und man will weiter erfolgreich Fußball spielen. Dazu kommt dann das Gefühl, dass der DFB sich ein Stück weit vom Amateurfußball entfernt und der Kommerzialisierung insgesamt Vorschub leistet.

TWO: Beweisen die Ergebnisse Ihrer Studien die Annahmen, dass sich der DFB von den Amateuren entfernt?

Emrich: Der DFB wird in der Wahrnehmung der Amateure vorschnell mit dem bezahlten Fußball identifiziert. Hier mag die unterschiedliche mediale Gewichtung zwischen Amateur- und Profifußball eine Rolle spielen. Gleichzeitig aber wird der DFB als mächtig und sportpolitisch kompetent im deutschen Sport wahrgenommen. Dabei unterscheiden die Vereine nicht systematisch zwischen DFB und Landesverbänden. Insofern wäre es wünschenswert, wenn die Verbände wieder näher an die Vereine an der Basis heranrückten.

TWO: Was sind die konkreten Wünsche der Vereine?

Emrich: Weit mehr als die Hälfte aller Ehrenamtlichen bekommen keinen Cent für ihre Arbeit und bringen dazu noch eigene Mittel mit ein. Sie möchten auch kein Geld von ihrem Verein, aber sie plädieren zum Beispiel für steuerliche Erleichterungen. Die Ehrenamtlichen möchten, dass ihr Verein finanziell unbelastet bleibt, aber der Steuerzahler etwas dazu beiträgt, dass Gemeingüter – also Fußball- und Freizeitangebote - produziert werden; eine interessante sportpolitische Aufgabe für den DFB.

TWO: Gibt es weitere Wünsche?

Emrich: Ja. Mehr Beratung im Bereich Finanzmanagement, Hilfen bei der Ausbildung pädagogisch gut qualifizierter Trainer, um die Kinder dauerhaft zu binden und Hilfen bei der Entwicklung altersspezifischer Angebote, zum Beispiel der Fußball für Ältere.

TWO: Die meisten Ehrenamtlichen sind über 50 Jahre. Wie könnten die Vereine jüngere Menschen werben?

Emrich: Je jünger die Ehrenamtlichen sind, desto häufiger wollen sie Erfahrungen und Qualifikationen, von denen sie beruflich profitieren können, im Ehrenamt erwerben. Insofern sollte man überlegen, wie eine Anerkennung für im Ehrenamt erworbene Qualifikationen aussehen könnte, die mit in die Welt außerhalb des Sports übertragen werden kann. Auch eine sportpolitische Kampagne mit dem Ziel, ehrenamtliches Engagement als positives Argument stärker bei beruflichen Bewerbungen zu berücksichtigen, kann helfen. Außerdem muss man die Selbstverwaltung der Jugend im Fußballverein ernst nehmen. So gewinnt man Ehrenamtler für morgen.

TWO: Durch Ihre Studien kennen Sie nicht nur die Vereinsansichten. Was tut der DFB bereits, um die Ehreamtlichen zu unterstützen?

Emrich: Der DFB ist sehr aktiv, zum Beispiel auf dem Gebiet der Aus- und Weiterbildung sowie der Bereitstellung von Informationen für Vereinsmitarbeiter aller Art. Die elektronischen Medien haben ein breites, qualitativ hohes Angebot, die Kurzschulungen kommen bis ins Vereinsheim, und es gibt genügend Anreize, an Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen. Dabei muss man ja bedenken, dass die Aktivitäten des DFB grundsätzlich mit den Landesverbänden abzustimmen sind. Nicht zu übersehen ist, dass der DFB auch für einen erheblichen Legitimationstransfer in den Fußball gesorgt hat, indem er offen für Integration und Fairplay eintritt. Dazu kommt eine außerordentlich aufwändige Talentarbeit.

TWO: Wie sehen Sie die Entwicklungen im sozialen Bereich?

Emrich: Dort ist viel gelungen. Stiftungen, Aktion Ehrenamt, Integration. Hier wird vorbildliche Arbeit geleistet. Der Fußball ist allgegenwärtig. Man muss aber sicherlich darauf achten, die Balance nicht zu verlieren zwischen sozialen Aufgaben und der Kernfunktion des DFB und seiner Landesverbände, nämlich Rahmenbedingungen für die Organisation von Fußball bereitzustellen, damit Vereine Fußball spielen können. Die sozialen Leistungen sind insofern eine erwünschte Nebenfolge von Fußballspielen, das stets im Mittelpunkt zu stehen hat. Man darf hier nicht Mittel und Zweck verwechseln.

TWO: Was macht den Fußball so stark?

[bild2] Emrich: Ganz einfach, das Spiel an sich: Fußball ist wahrscheinlich die „demokratischste“ Sportart der Welt. Man kann mit zwei Metern und 110 Kilo genauso erfolgreich spielen wie mit 1,60 m und 50 Kilo. Jeder hat die Chance, seinen Platz zu finden und erfolgreich zu spielen. Das ist bei Individualsportarten zum Beispiel in der Leichtathletik anders. Dazu kommt die Faszination des Spiels, in dem man versucht, mit einem ungebildeten Organ, dem Fuß, einen runden Gegenstand zu beherrschen; eine fast unlösbare Aufgabe, die immer wieder Überraschungen bietet. Und letztlich: auf dem Platz geht es zu wie im Leben, hart trainiert, überlegen gespielt und am Ende mit Pech verloren, das Spiel entzieht sich eben der Berechenbarkeit, wie sich in jedem Pokalwettbewerb zeigt.

TWO: Wie spiegelt sich der Erfolg in der Organisation wieder?

Emrich: Der DFB hat den Vorteil, dass Fußball immer im öffentlichen Bewusstsein ist. Wenn Sie an der Bushaltestelle jemanden treffen, können Sie über zwei Sachen reden: Fußball und das Wetter. Fußball ist ein öffentliches Thema, deshalb haben Medien und Politik sehr viel Interesse daran. Das erleichtert in öffentlichen Debatten entscheidend die Legitimation des Fußballs. Dadurch hat er gute Chancen, mittel- und langfristig, seine Interessen durchzusetzen und Ressourcen zu bekommen. Insofern wird ein spannendes Spiel von vielen geschätzt, dann vielfach medial darüber berichtet und gesellig darüber kommuniziert, was wiederum dazu führt, dass es im öffentlichen und privaten Bewusstsein stärker verankert wird als andere Sportarten.

TWO: Was sind Stärken und Schwächen eines typischen Amateurfußball-Vereins?

Emrich: Das ist eine hochkomplexe Situation, weil die Stärken gleichzeitig die Schwächen sind. Erstens: Auf der Führungsebene und auf der Ebene der Leistungserstellung kann im Fußball jeder mitarbeiten, der sich engagieren will und eine Fußballvergangenheit hat. Nicht immer aber liegen die Voraussetzungen dafür vor, was wiederum bedeutet, dass manche Ehrenamtliche überfordert sind. Zudem werden alte Fußballkameraden auch gestützt, wenn sie den Anforderungen des Amtes nicht ganz genügen. Zweitens: Es gibt einen ungeheuren Zuspruch von Kindern und Jugendlichen. Dieses Humankapital muss man binden, aber dazu sind Investitionen nötig, die jedoch häufig für die steigenden finanziellen Anforderungen des Erwachsenenfußballes benötigt werden. Das verhindert ein stärkeres Investment für die Zukunft. Drittens: Im Fußball passiert alles per mündlicher Mitteilung, zum Beispiel abends beim Bier im Vereinsheim. Daraus entwickelt sich gleichzeitig eine Abneigung gegenüber Strategieplänen und klarem Finanzmanagement und -controlling.

TWO: Hört sich nach einer ambivalenten Situation an?

Emrich: Genau. Das Ausbalancieren dieser Pole macht die Qualität des Vereinsmanagements aus. Einerseits das Gemeinschaftsgefühl erhalten, aber klare Strategien verfolgen, insbesondere im Finanzbereich und im Bereich der Fußballentwicklung. Letztlich muss man erkennen, dass bei allem Gemeinschaftsdenken im Fußball sich Amateurspieler in höheren Leistungsklassen an kommerziellen Anreizen ausrichten und dazu braucht man andere Formen des Finanzmanagements als bei klassischen Amateuren. Einerseits hat man Trainer mit Vereinsvergangenheit und fühlt sich ihnen gegenüber verpflichtet, andererseits muss man im Spitzenamateurbereich auch qualifizierte Trainer bezahlen, wenn man leistungsmäßig mithalten will. Im Kinder- und Jugendbereich muss man in ihre Qualifikation investieren, weil zum Beispiel ihre pädagogische Qualität entscheidend wird, um Kinder langfristig zu binden. Kinder bleiben dann im Fußball, wenn unter ihnen ein Gemeinschaftsgefühl entwickelt, aber gleichzeitig muss der Fußball heute auch der Konkurrenz vieler konkurrierender Genüsse standhalten, und dazu braucht man Investitionen, qualifiziertes Personal und auch gute außersportliche Angebote.

TWO: Fußball, Vereine, Verbände. Hinter all diesen Begriffen stehen einzelne Personen. Haben sich die Ehrenamtlichen in den letzten Jahren geändert?

Emrich: Eigentlich nicht, obwohl die Gegebenheiten durchaus komplexer geworden sind. Wir haben eine wesentlich stärkere mediale Beobachtung, selbst auf lokaler Ebene. Vieles, was die Ehrenamtlichen mittlerweile tun, wird stärker beobachtet und bezogen auf das Ergebnis öffentlich reflektiert. Lokalnachrichten und Internetplattformen berichten sehr intensiv.

TWO: Das ist doch positiv, oder?

Emrich: Jein, der Zwang der Medien, Nachrichten gewinnbringend zu verkaufen, führt dazu, dass negative Nachrichten bevorzugt werden, was wiederum die ehrenamtlich im Fußball Tätigen zu mehr Selbstbeobachtung und Vorsicht zwingt, weil sie in ihrem Handeln das mediale öffentliche Urteil gedanklich vorwegnehmen müssen. Dazu kommen gesteigerte Erwartungen der Bezugspersonen, zum Beispiel der Eltern. Ich nenne das das Prinzen- und Prinzessinensyndrom. Die Eltern sehen ihre Kinder in Gedanken schon in der Bundesliga. Statt sie einfach mal spielen zu lassen und die Kinder im Training eine Stunde aus der elterlichen Aufsicht zu entlassen, wird das Training am Rande des Platzes stehend beobachtet, werden die Kinder gepusht und die Trainer kritisch beäugt. Dort ist viel, manchmal zuviel, elterliche Aufmerksamkeit, Behütung und Aufsicht.

TWO: Gibt es weitere Veränderungen?

Emrich: Allen politischen Versprechungen zum Trotz werden die rechtlichen Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Ausübung weiter erschwert. Ein Ehrenamtlicher muss sich fast täglich fragen: Verstoße ich gegen geltendes Recht und welche Risiken trage ich als Privatperson? Eine völlig paradoxe Entwicklung. Die Politik betont die Notwendigkeit des ehrenamtlichen Engagements und erschwert durch Komplexitätssteigerung und Haftungsrisiken die Rahmenbedingungen. Im Prinzip haben doch nur Steuerberater und Rechtsanwälte keine Orientierungsschwierigkeiten in diesem Dickicht der rechtlichen Rahmenbedingungen.

TWO: Jede Menge Herausforderungen also. Wie kann der Amateurfußball-Kongress den Vereinen helfen?

Emrich: Zunächst einmal sehe ich ein wichtiges Signal durch den Amateurfußball-Kongress, welches heißt: Der DFB kümmert sich um den Amateurfußball. Außerdem dient der Kongress dem gedanklichen Austausch mit den Ehrenamtlichen. Wissenschaftliche Befunde werden mit der empfundenen Wirklichkeit der Verantwortlichen verglichen. Nach diesem Abgleich wird über Konsequenzen diskutiert; nicht von oben herab, sondern mit dem Wissen um die Bedingungen vor Ort. Wir liefern nur Bausteine. Die Vereinsverantwortlichen sollen dann eigene Strategien entwickeln. In der Folge werden sich der DFB und die Landesverbände dann damit befassen müssen, wie sie die Problemanalysen und Handlungsstrategien, die während des Kongresses geleistet bzw. entwickelt werden, immateriell und materiell unterstützen können.

TWO: Das heißt, der gemeinsame Austausch ist der entscheidende Schritt.

Emrich: Absolut. Es wird kein Kongress, bei dem es nur wissenschaftlichen Input gibt und die Leute dann nach Hause gehen. Ganz im Gegenteil. Wir geben stark gebündelte Informationen und Anregungen zur Diskussion. Danach liegt die Hauptarbeit bei den Teilnehmern selbst. Sie sollen sich in Gruppenarbeiten, unterstützt durch Moderatoren, der wichtigen Themen annehmen.

TWO: Was ist Ihre Rolle beim AFK?

Emrich: Einerseits Informationen liefern und vorstellen. Andererseits die Diskussionen auch in den Kleingruppen verfolgen. Nicht als Lenker, sondern um Rückfragen zu beantworten und bei Lösungsvorschlägen zu helfen.

TWO: Was fasziniert Sie nach 20 Jahren noch an der ehrenamtlichen Vereinsarbeit?

Emrich: Ich habe ein Herz für alle Ehrenamtlichen, die ihre Zeit opfern, kein Geld erhalten, deren Ehefrauen am Wochenende noch den Kuchen fürs Vereinsfest backen, die Kinder zum Sport fahren und noch nie gefragt haben, was sie dafür bekommen. Dieser Teil des Ehrenamts hat fast keine öffentlichen Identifikationsfiguren und nur wenig Lobby. Aber ohne die Ehrenamtlichen geht gar nichts, da ist der Sport nicht durchführbar. Im Mittel arbeitet ein Ehrenamtlicher im SWFV ca. 11,6 Stunden /Woche. Wenn man das auf das gesamte Land hochrechnet, hat man über das ehrenamtliche Engagement im Fußball einen wirtschaftlichen Effekt von rund 1,8 Milliarden Euro, das ist viel, auch im Vergleich zum Umsatz des bezahlten Ligafußballs.