Die neue deutsche Generation: Dynamisch und durchsetzungsstark.
Frauenfußball in Deutschland – das ist eine Erfolgsgeschichte. Die neue deutsche Spielergeneration der Frauen-Nationalmannschaft profitiert davon, dass sie lange Zeit mit Jungen in ihrer Altersklasse zusammen trainiert und gespielt haben. Amateurvereine brauchen also gar nicht zwingend eine Frauenabteilung, um Mädchen das Fußballspielen im Verein zu ermöglichen.
Gut möglich, dass sich in der nächsten Zeit die Anfragen von Mädchen häufen, die den aktuellen Europameisterinnen nacheifern und nun auch im Verein Fußball spielen wollen. Das denkt auch Ulrike Ballweg, Assistenz-Trainerin der Frauen Nationalmannschaft: „Ich glaube schon, dass der Erfolg der Nationalmannschaft noch einmal einen Schub auslöst.“ Sie hofft, „dass er die Akzeptanz bei den Eltern noch mehr vergrößert und man Mädchen - egal wo sie wohnen - ermöglicht Fußball zu spielen.“ Dabei sind auch die Vereine in der Pflicht, sich offen und attraktiv für Mädchen zu präsentieren. Der Einstieg kann über Schul-AGs, Schnuppertrainings oder Tage des Mädchenfußballs geschehen. Und die Anzahl der interessierten Mädchen spielt am Anfang keine Rolle: „Ganz junge Mädchen können sofort bei den Jungs integriert werden, wenn es leistungsmäßig passt“, empfiehlt Ballweg, „es gibt ja auch Jungs, die ‚Anfänger’ sind“.
Sobald es genügend Mädchen mit ähnlicher Leistungsstärke gibt, kann man sie dann zu einer Mannschaft zusammenfassen. Dabei weist Ballweg darauf hin: „Ich würde aber immer die leistungsstarken und auffällig talentierten Mädchen bei den Jungs lassen und sie mit ihnen trainieren und spielen lassen. Das bringt ihnen mehr“. Sie sieht Vorteile in der athletischen und fußballerischen Entwicklung der weiblichen Talente. „Jungs haben meist schon mehr Bewegungserfahrung im Fußball, da werden die Mädels in Punkto Technik, Schnelligkeit, Zweikampfverhalten immer gefordert.“ Außerdem kann der Konkurrenzdruck bei den Jungen charakterbildend sein: „Es hat noch keiner Spielerin geschadet, wenn sie nicht immer nur als die Beste bei den Mädels durchgeht, sondern sich schon in frühen Jahren bei den Jungs durchsetzen und erkennen muss, dass Talent alleine nicht genügt.“
„Du lernst dich durchzusetzen“
Erfahrungen, die vor allem die junge Garde der erfolgreichen EURO-Mannschaft 2013 von Kindesbeinen gesammelt hat: Sara Däbritz spricht stellvertretend für all die Maiers, Lotzens, Cramers: „Bei den Jungs zu spielen, bringt dir unheimlich viel, Zweikampfhärte, Schnelligkeit – du lernst dich durchzusetzen.“ Mit engagierten Leistungen verschafften die Mädels sich automatisch Akzeptanz bei den Jungs. „Mit den meisten Jungs aus meinem Heimatverein bin ich noch heute befreundet“, erzählt Lena Lotzen.
Wichtig ist laut Ulrike Ballweg, dass im Team ein gutes Klima herrscht. Als Trainer sollte man einige organisatorische Dinge wie zum Beispiel eine gesonderte Kabine für die Mädchen beachten, sonst ist keine Sonderbehandlung nötig. „Die Mädels sind genauso belastbar wie die Jungs und können viel ab, da ist keine Anpassung der Trainingseinheiten nötig“, erläutert Ballweg, „und in der persönlichen Ansprache von Kindern und Jugendlichen ist sowieso pädagogisches Geschick gefragt – egal welches Geschlecht“.
Bis zu den B-Junioren ist es laut DFB-Statuten gestattet, dass Mädchen und Jungen zusammen spielen. Über den Zeitpunkt, wann ein Mädchen in eine Mädchenmannschaft wechselt, muss im Einzelfall die individuelle Leistungsfähigkeit entscheiden. Oft schränken simple örtliche Faktoren ein, weiß auch Ulrike Ballweg: „Ich würde immer dafür plädieren, bei einer guten Jungenmannschaft im heimatlichen Umfeld zu bleiben, anstatt Stunden auf Autobahnen und in Zügen zu verbringen, um zur nächsten gleichwertigen Mädchenmannschaft zu kommen.“ Mitunter ist auch ein wenig Kreativität gefragt. In vielen Landesverbänden ist es mittlerweile üblich, dass Mädchen mit Hilfe von Gastspielgenehmigungen das gleichzeitige Spielrecht sowohl für eine Jungen-, als auch eine Mädchenmannschaft bekommen. „So können sie mit einer Jungsmannschaft auf höchstem Niveau trainieren und gleichzeitig zu einer Mädchenmannschaft Kontakt halten“, erläutert die Assistenz-Bundestrainerin die Vorteile.
Individuelle Talentförderung in DFB-Stützpunkten
Eine zusätzliche Möglichkeit der Talentförderung sind die DFB-Stützpunkte. In der dualen fußballerischen Ausbildung ergänzen sie das Mannschaftstraining in einem Jungs-Team durch individuelle Förderung der Nachwuchsspielerinnen. „Wir sehen ja bei einigen aktuellen Nationalspielerinnen wie Lena Lotzen oder Leonie Maier, wie viel ihnen dieses wöchentliche Training in den DFB-Stützpunkten gebracht hat“, schätzt Ballweg die Effekte des Stützpunkttrainings hoch ein. „Hier bekommen die Mädels in Heimatnähe ein sehr gutes, hoch qualifiziertes Training, auch mit Jungs. Anders als oft im Vereinstraining wird hier auch individuell mit den Talenten trainiert.“
In den bundesweit 366 DFB-Stützpunkten geht es aber nicht nur darum, die Talente fußballerisch weiter zu bringen. Sie sollen wichtige Dinge entwickeln wie Selbstbewusstsein, Selbstkritik, Motivation und Leistungswillen, dazu Fairness und Toleranz gegenüber dem Gegner, Trainer sowie dem Schiedsrichter zeigen. Wichtig ist auch, dass sie Eigenverantwortung und Eigeninitiative lernen. Und Teamgeist ausprägen – der hat die jungen deutschen Nationalspielerinnen schließlich auch zum Europameistertitel gebracht.