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Arnold: „Die Liebe zum Fußball war größer als das Heimweh“

„Das spiegelt ihn absolut wieder“, sagt Jörg Wunderlich, wenn man mit ihm zusammen über den Wikipedia-Eintrag von Maximilan Arnold schaut. Der Wolfsburger ist nicht nur jüngster Debütant („Maximilian hat schon als Kind immer einen Jahrgang übersprungen.“) und Torschütze des VfL („Er war schon immer heiß auf Tore. Sein linker Fuß ist eine Waffe.“), sondern auch jüngster Rotsünder in der Bundesliga-Geschichte der Wölfe. „Auch das gehört zum Gesamtpaket Maximilian Arnold. Sobald er auf den Platz kommt, ist verlieren für ihn ein Fremdwort. Das gilt selbst für jeden Zweikampf“, resümiert Wunderlich, ergänzt aber gleich: “Das wird ihm trotzdem so schnell nicht wieder passieren. Er hat aus seinen bisherigen Erfahrungen immer etwas gelernt.“ Wunderlich ist DFB-Stützpunktkoordinator des Sächsischen Fußballverbandes und hat Arnold im Alter von neun bis 12 Jahren begleitet, teilweise trainiert. Er kennt noch „den kleinen, rothaarigen Maximilian, der auf dem Platz immer Vollgas gegeben hat“, daneben eher introvertiert daherkam und unter starkem Heimweh gelitten hat, sobald er von seiner Familie getrennt war. Das bringt der Fußball allerdings mit sich, wenn der Sohn ein derartiges Talent ist und durch die steigenden Herausforderungen ein Abnabelungsprozess unumgänglich ist.

Immer weiter weg von Strehla

Die Karriere beginnt 2000 als Sechsjähriger in der Nachbarschaft, beim BSV Strehla, den er heute gelegentlich noch besucht, um den Stiefbruder kicken zu sehen. Drei Jahre später dann der Wechsel zum regionalen Leistungszentrum des Sportclub Riesa. Neben dem Vereinstraining nimmt Arnold am Stützpunkttraining in Röderau teil. Hier spricht man heute noch über seine Leistungen, zum Beispiel bei sportmotorischen Tests. Die ersten zehn Meter legt der 11-Jährige Maximilian damals in 1,68 Sekunden zurück. Eine Zeit, die im absoluten Spitzenbereich für diese Altersklasse liegt. Selbst für Leichtathleten. Aber Arnold kann in dem Tempo auch den Ball mitnehmen und verwerten. In einem Punktspiel 2006 gegen Dynamo Dresden verlädt er seine Gegenspieler und schießt zwei Tore. René Schäfer, damals Dynamos U 12-Trainer, ist beeindruckt und macht sich über „den Roten mit der linken Ditsche“ schlau. Was er sieht, kann er kaum glauben. Arnold, überragender Spieler von Riesa, ist einer der Jüngsten im Kader. Schnell weiß Schäfer: „Den will ich haben!“ Doch Arnold zögert. Auch andere Vereine haben sich bereits gemeldet, und der Wechsel zu Dresden geht mit dem Einzug ins Dynamo-Internat einher. Für den heimatverbundenen Maximilian ein großer Schritt. Aber Schäfer bleibt hartnäckig. In einem eineinhalb stündigen Telefonat kann er Mutter Arnold vom Dynamo-Konzept überzeugen, dass nicht nur auf die spielerische, sondern auch auf die menschliche und schulische Weiterentwicklung zielt.

Nur den schwachen Fuß trainieren

Der Anfang ist zäh. Arnold fährt oft nach Hause oder seine Eltern kommen zu Besuch. Auf dem Platz wird der Konkurrenzkampf härter. „Wir hatten damals eine sehr gute Truppe. Um die Stammplätze gab es ein Hauen und Stechen“, erzählt Schäfer. Auch der Trainer macht es Arnold nicht leicht. Er markiert seinen schwachen rechten Fuß mit einem Stutzen, damit er nur diesen im Training benutzt. „Arni hat mich deshalb oft verflucht.“ Heute weiß er die „Sonderbehandlung“ zu schätzen. „Danke, dass sie mir damals so auf die Nerven gegangen sind“, hat Arnold seinem Jugendtrainer neulich geschrieben. Auch das Heimweh stellt sich mit der Zeit ein. Die Jugendlichen geben sich gegenseitig Halt. „So hart wie die Truppe auf dem Trainingsplatz zu Werke ging, so kameradschaftlich und eingeschworen war sie außerhalb“, erinnert sich Schäfer. Arnold selbst beschreibt den Prozess in einem ARD-Interview folgendermaßen: „Am Anfang war es in Dresden sehr hart für mich, aber die Liebe zum Fußball war stärker als das Heimweh.“ Seine Liebe zum Fußball zeigt sich auch im teilweise übertriebenen Ehrgeiz. Verlieren war für Arnold schon immer ein Unding. Den unbändigen Siegeswillen kann und will man ihm bei Dynamo auch nicht abgewöhnen. Trotzdem muss Arnold die ein oder andere „erzieherische Maßnahme“ über sich ergehen lassen, „die aber für seinen Lernprozess ganz wichtig waren“, so Schäfer. Den Ehrgeiz, in der Schule ebenfalls zu den Besten zu gehören, mussten die Vereinsmitarbeiter dem Talent erst einimpfen. „Als er zu uns kam, gab es nur Fußball für Arni“, erinnert sich Schäfer. „Aber wir legen auch viel Wert auf außersportliche Weiterentwicklung. Mit viel Unterstützung hat er es noch zu einem ganz passablen Schüler gebracht.“

Von Dresden nach Wolfsburg

Der nächste Karriereschritt führt Arnold noch weiter von der Heimat weg, nach Wolfsburg. Doch mit 16 ist dies kein Problem mehr: „Heimweh? Nein!“, erzählt Manfred Mattes. „Davon habe ich nichts gemerkt. Ganz im Gegenteil. Er hat sich mit seiner bescheidenen und ehrgeizigen Art hier sehr schnell eingewöhnt.“ Einmal auf Arnold angesprochen, kommt der U 17-Trainer des VfL nicht mehr aus dem Schwärmen heraus. „Ich kann mich im Nachhinein an kein einziges Training erinnern, in dem Maximilian nicht zu einhundert Prozent motiviert war.“ Dieser Einsatz zahlt sich aus. Arnold ist nach seinem Wechsel zum VfL der einzige Spieler des jüngeren Jahrgangs, der zum Stamm der U 17 zählt. „Der Junge wusste schon damals auf jede Spielsituation die richtige Antwort. Und neben dem Platz hatte er einen ganz klaren Plan, dem er vieles unterordnete.“ Das schlägt sich schnell in Erfolgen wieder. Innerhalb von drei Jahren wird Arnold mit dem VfL zweimal Deutscher A-Junioren-Meister, beim Länderpokal in Duisburg zum besten Spieler gewählt und für die U-Nationalmannschaften des DFB nominiert. „Grandios. Ein geniales Gefühl“, sagt der Strehlaer nach seinem Debüt für die deutsche U 16. 27 weitere Spiele in diversen Jugend-Nationalmannschaften folgen bis zum heutigen Tage. Mittlerweile ist Maximilian Arnold ein fester Bestandteil des Wolfsburger Bundesligateams, seit dieser Saison als zentraler Mittelfeldspieler. Und das, obwohl ihm hier gestandene und talentierte Profis wie Diego (mtlw. Atletico Madrid), Ivan Perisic oder Kevin de Bruyne den Platz streitig machen. Seine Quote rechtfertigt das Vertrauen: Nach seinen ersten 20 Bundesligaspielen hatte er bereits neun Tore verbucht, und zwar als Mann für die wichtigen Treffer. Sechsmal erzielte er das 1:0, dreimal das 1:1.

Grundaggressivität ist seine Stärke

Scheint, als wäre Maximilian Arnold mittlerweile angekommen in der Bundesliga. Nicht nur als Torschütze und Spielmacher, sondern auch mit der richtigen Balance zwischen Aggressivität und Lockerheit. Nach der roten Karte gegen Hannover in seinem siebten Bundesligaspiel hinterfragte sich der 19-Jährige. „Ich versuche seitdem nicht ganz so aggressiv in die Zweikämpfe zu gehen, ohne aber dabei zu verkrampfen.“ Wenn es nach Manfred Mattes geht soll und darf er seine Grundaggressivität dabei nicht verlieren. „Sonst würde man ihn seiner Stärke berauben.“ Wunderlich, Schäfer, Mattes: Spricht man seine Jugend-Trainer auf den Werdegang Arnolds an, sind sich alle einig. „Klar ist man stolz, einen solch talentierten Spieler trainieren und mit formen zu dürfen. Als Fußballer und als Mensch hat er eine tolle Entwicklung genommen“, sagt Jörg Wunderlich exemplarisch. Besonders die Bodenständigkeit wird bei Arnold oft hervorgehoben. „Es vergeht keine Woche, in der Maximilian uns nicht im Fußballinternat besucht. Wir haben dort zwar eine gute Köchin, aber ich glaube, es liegt nicht nur daran“, lacht Mattes. Auch der Kontakt nach Dresden ist nicht abgerissen. Ein, zweimal pro Saison kommt René Schäfer nach Wolfsburg und schaut sich seinen Ex-Spieler im Stadion an. Zwischendrin wird viel telefoniert. Ein Gespräch bleibt ihm dabei besonders in Erinnerung: „Als Arni seinen Vertrag in Wolfsburg unterschrieben hat, war die Reihenfolge der Anrufe: Eltern, Oma, Schäfer“, erzählt der Ex-Trainer und lächelt. „Soviel können wir in der Ausbildung also nicht falsch gemacht haben.“