Aktuell technische Probleme bei FUSSBALL.DE.
An der Lösung des Problems wird mit Hochdruck gearbeitet.
Wir bitten um euer Verständnis.
Freiburgs Ex-Trainer Volker Finke gilt als einer der ersten Verfechter einer Philosophie, die besagt, dass die Organisation von Trainingsspielen ganz automatisch gewisse Verhaltensweisen provoziert. Im dritten und letzten Teil unserer Beitragsreihe zum 'geheimen Lehrplan' widmet sich Arne Barez den Steuerungskomponenten 'Spielziel', 'Spielregeln' und 'Torbildung' und präsentiert geeignete Trainingsformen. Die Praxisinhalte stammen von namhaften Trainern und Institutionen. Barez hat sie in der Praxis getestet und prüft dabei vor allen Dingen auch die Übertragbarkeit für den Amateurfußball. Abschließend wagt er ein Fazit zur Trainingsmethodik des 'geheimen Lehrplans'.
Eine Verteidigungslinie durch einen Pass in eine Schnittstelle zu überspielen, ist sowohl beim Spielaufbau als auch beim Herausspielen von Torchancen von Bedeutung. Besonders effektiv kann diese Fähigkeit unter erleichterten Bedingungen trainiert werden.
In dieser Trainingsform aus der Nachwuchsakademie von Inter Mailand (Quelle: www.insidesoccer.com) wird das Spielfeld in drei Zonen unterteilt und mit Angreifern und Verteidigern besetzt, die ihre jeweilige Zone nicht verlassen dürfen.
Die Angreifer in Zone 1 passen sich den Ball zu und bei Gelegenheit durch die Mittelzone auf die andere Seite. Die Verteidiger in Zone 2 versuchen, diese Zuspiele abzufangen. Für jedes Zuspiel auf die andere Seite erhalten die Angreifer einen Punkt.
Auch in dieser Spielform des FC Valencia (Quelle: www.insidesoccer.com) wird das eigentliche Spielziel ‚Tore erzielen und Tore verhindern‘ durch eine konkrete Aufgabenstellung bzw. eine Punktwertung ersetzt.
Analog zu Spielform 1 wird das Feld dazu in drei Zonen unterteilt und mit je 4 Angreifern bzw. Verteidigern besetzt. Nun dürfen sich jedoch immer 2 Verteidiger aus der Mittelzone lösen und die Angreifer in den Außenzonen unter Druck setzen. Diese müssen den Ball im 4 gegen 2 behaupten und dabei einen ihrer Spieler so freispielen, dass dieser einen Steilpass zur 4er-
Mannschaft auf die andere Seite spielen kann. Die Verteidiger in der Mittelzone dürfen dieses Zuspiel abfangen.
Neben dem Blick für die Tiefe schult diese Trainingsform daher auch die Ballbehauptung. Wie im Wettspiel müssen die Aufbauspieler den Pass in die Tiefe unter Druck vorbereiten und eine Lücke im gegnerischen Abwehrverbund erkennen.
Insbesondere Juniorenspieler tun sich mitunter schwer, den Spielrhythmus zu variieren. Ihre Aktionen sind unabhängig von der Spielsituation häufig nach vorne ausgerichtet. Dabei ist es durchaus sinnvoll, aus engen Räumen herauszuspielen, um den Ballbesitz zu sichern und das Spiel zu verlagern.
Um dieses Verhalten zu akzentuieren, erhalten die Teams in Spielform 1 für je 10 Zuspiele in der eigenen Hälfte einen Zusatzpunkt. Dadurch sind wiederum die Verteidiger gezwungen, die Angreifer im Spielaufbau frühzeitig unter Druck zu setzen, weshalb sich die Spielintensität insgesamt erhöht. Zudem entstehen Freiräume im Rücken der Verteidiger, die für ein Spiel in die Tiefe genutzt werden können.
Ein Trainer kann seinen Spielern sagen, dass sie sich ihren Mitspielern in einer offenen Spielstellung anbieten und Zuspiele direkt in die Spielrichtung mitnehmen sollen. Oder er kann Situationen schaffen, durch die sie dazu gezwungen werden.
Der schmale Spielfeldausschnitt in Spielform 2 (Quelle: BDFL-Fortbildung/leicht abgeändert) verhindert einen Spielaufbau in die Breite und lenkt das Angriffsspiel automatisch in die Tiefe. Die Zusatzregel, dass nach einem Rückpass direkt gespielt werden muss, verleitet die Angreifer dazu, sich bereits vor der Ballannahme in eine Position zu bringen, aus der eine offensive Spielfortsetzung möglich ist. Rückpässe werden vermieden. Wahlweise könnten sie auch ganz untersagt werden.
Die von Volker Finke in der Trainerzeitschrift fussballtraining vorgestellte Spielform provoziert verschiedene, für den damaligen Stil des SC Freiburg typische Merkmale.
(1) Distanzschüsse meiden: Die nach außen gedrehten Tore verhindern Distanzschüsse. Da nicht in die nächste Zone gedribbelt, sondern nur gepasst werden darf, wird das Kombinationsspiel gefördert.
(2) Angriffsaktionen ausspielen: Der zuerst vor dem gegnerischen Tor angespielte Spieler darf nicht schießen. Der Angriff muss über mindestens einen weiteren Spieler ‘ausgespielt’ werden.
(3) Durchspielen zur Grundlinie: Das Kombinationsspiel in der Mittelzone ist auf das Spiel bis zur Grundlinie ausgerichtet. Von dort erfolgt dann der Rückpass oder die Flanke. Soll dagegen eine geschickte Raumaufteilung betont werden, bei gleichem Aufbau auf Zonen verzichten und mit Neutralen spielen.
Es ist statistisch erwiesen, dass die meisten Tore innerhalb des Strafraums erzielt werden. Deshalb sollten die Freiburger Spieler unter Finke Angriffssituationen ‘ausspielen’ und den sichersten, nicht aber den schnellsten Torabschluss suchen.
Die Anordnung der Tore sowie das relativ kleine Spielfeld in Spielform 2 provozieren viele Torabschlüsse aus naher Distanz. Im gelb markierten Bereich ergeben sich dabei Abschlussmöglichkeiten auf beide Tore. Diese Situationen sollen herausgespielt werden. Zudem entstehen beim Angreifen auf 2 Tore ständig neue Lösungsmöglichkeiten, die erkannt und ausgenutzt werden sollten.
Der gemachten Erfahrung nach ist das Training nach dem 'geheimen Lehrplan' zwar kein Ersatz, wohl aber eine sehr wichtige Ergänzung zum wettspielnahen Training. Konkrete mannschaftstaktische Abläufe – etwa im Spielaufbau oder beim Mittelfeldpressing – erfordern weiterhin ein möglichst spielnahes Training im 8 gegen 8 oder 11 gegen 11. Um ein Spielverhalten hinführend kennenzulernen oder die Spielfähigkeit zu verbessern sind Spielvariationen nach der Idee des 'geheimen Lehrplans' dagegen ideal.
Zum einen lässt sich das Verhalten in Spielformen mit gezielten Vorgaben und Sonderregeln besser steuern. Soll beispielsweise das Gegenpressing neu eingeübt werden, ist es hilfreich, wenn sich die Angreifer nach einem Ballverlust im Angriffsdrittel nicht in die eigene Spielfeldhälfte fallen lassen dürfen. Das ist zwar nicht spielnah, ermöglicht den Verteidigern aber, sich recht schnell an das ungewohnte Verhalten zu gewöhnen. Sobald die Verteidiger merken, dass sie trotz ihrer hohen Position nicht einfach überspielt werden und den Ball zudem recht häufig zurückgewinnen, können die Vorgaben gelockert und das Verhalten in ein freies Spiel übertragen werden.
Zum anderen ist das Training in akzentuierten Spielformen häufig effektiver. Dies liegt wiederum daran, dass das Zielverhalten durch die veränderten Rahmenbedingungen öfter abgerufen wird, als in freien oder wettspielnahen Spielen. Da das Spieltempo und/oder der Raum- und Zeitdruck in den meisten der hier vorgestellten Spielformen zudem über dem Niveau des Wettspiels liegt, fördert der 'geheime Lehrplan' in besonderem Maße die Spielfähigkeit. Das Spiel auf knappem Raum verbunden mit komplexen Zusatzregeln sorgt hierbei für den nötigen Reiz, dass die Spieler die Bedingungen des Wettspiels als 'Befreiung' erleben.