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René Ziarna über den Re-Start und die Herausforderungen mit dem FC Neuruhrort

Der Lockdown hat allen Trainern viel abverlangt und kreative Ideen gefordert, den Kontakt mit seinem Team zu halten. Der Re-Start war hingegen enorm erfreulich, doch auch da warteten nach einer sehr langen Pause Herausforderungen, die zu bewältigen waren. Im Interview erläutert René Ziarna – Cheftrainer des FC Neuruhrort (Kreisliga A Bochum) – wie er die Corona-Pause mit seiner Mannschaft überbrückt hat, welche Auswirkungen diese hatte und welche Challenges die Wiederaufnahme des Trainingsbetriebs mit sich brachte.


DFB.de: Wie habt ihr den Lockdown überbrückt?

René Ziarna: Mein Grundgedanke war es, eng an der Mannschaft zu bleiben, indem ich den Kontakt zu den Spielern aufrechterhalte. Wir hatten uns eine Team-Laufchallenge überlegt, die individuell durchführbar war und trotzdem ein Mannschaftsziel verfolgte. Hinzu kam der positive Effekt, dass die Spieler sich fit halten würden. Jeder sollte 15 Kilometer pro Woche laufen. So ergab sich für das Team, bestehend aus 22 Spielern, eine zu erreichende Gesamtkilometerzahl von 1320 Kilometer. Wir mussten allerdings schnell feststellen, dass diese Challenge im Idealfall zwar umsetzbar ist, sich jedoch in der Praxis schwierig gestaltete. Hinzu kam, dass der Lockdown deutlich länger als erwartet anhielt, wodurch alle Ziele und Effekte dieser Challenge mit der Zeit verpufften. Aus diesem Grund haben wir sie eingestellt und auf Eigenverantwortung gesetzt.

DFB.de: Haben Spieler während/nach der Corona-Pause ihre Fußballschuhe an den Nagel gehängt?

Ziarna: Wir haben durch die Zwangspause zwei Spieler verloren. Sie haben in der Zeit gemerkt, dass es mehr gibt als neben der Arbeit viel Zeit in den Fußball und weniger in die Familie zu investieren. Die beiden waren schon etwas älter und haben Kinder. Sie haben für sich festgestellt, dass es ohne Fußball schöner ist. Ich gehe stark davon aus, dass sie noch bei uns spielen würden, wenn alles "normal" weitergelaufen wäre. In unserer zweiten Mannschaft waren es sogar acht Spieler, die aufgrund der Pandemie ihre Laufbahn beendeten.

DFB.de: Wann habt ihr den Trainingsbetrieb wieder aufgenommen?

Ziarna: Am 01. Juni haben wir gemäß der zu dem Zeitpunkt bestehenden Regeln zunächst ausschließlich kontaktlos trainiert. Wir hätten zwar mit offiziellen Schnelltests schon früher regulär trainieren können, aber der Aufwand wäre einfach zu groß gewesen, weswegen wir darauf verzichtet haben. Wir haben das kontaktlose Training durchweg für Athletik- und Techniktraining im Stationsbetrieb genutzt. Diese Einheiten habe ich auch nicht in meine Bewertung einbezogen, sondern sollten als Vor-Vorbereitung dienen, damit jeder Spieler sich fit machen konnte. Wir haben die Trainingsformen einfach gehalten, aber doch immer wieder kreative Ideen entwickelt, damit neben der Intensität auch der Spaß stimmt. Ich bin mit gutem Beispiel vorangegangen und habe den Juni vollständig mitgezogen. Im Juli konnten wir dann ganz normal trainieren und somit in die reguläre, wenn auch deutlich längere Saisonvorbereitung von acht Wochen starten.

DFB.de: In welchem konditionellen Zustand waren deine Spieler?

Ziarna: Es waren deutliche Unterschiede zwischen den Spielern zu erkennen. Wir hatten zwei bis drei Spieler, die mit ein paar Kilogramm zu viel eingestiegen sind. Insbesondere in den ersten Einheiten hatten einige Kreislaufprobleme. Das war am auffälligsten. Es waren erfreulicherweise jedoch auch einige Spieler in einem guten Zustand. Sie haben die Zeit genutzt, um in Form zu bleiben. Das war ein Riesenvorteil für sie, der sie automatisch in eine gute Position gebracht hat.

DFB.de: Wie bist du mit den unterschiedlichen Fitnesszuständen umgegangen?

Ziarna: Genau dafür hatten wir den Juni mit kontaktlosem Training. Da hat jeder Spieler individuell an seiner Fitness gearbeitet. Zusätzlich dazu sind die Spieler neben den beiden Einheiten dazu angehalten, eine dritte Konditionseinheit eigenständig und eigenverantwortlich durchzuführen. Da organisieren sich die Spieler dann teilweise in Gruppen und machen entsprechend gemeinsam Ausdauer-, Intervall- oder Bergläufe etc. Das funktionierte zu Beginn sehr gut, wobei sich in letzter Zeit wieder der Schlendrian eingeschlichen hat. Seitdem wir regulär trainieren können, arbeiten wir nicht mehr an der Fitness. Die zwei Trainingseinheiten sind dafür zu kostbar. Da möchte ich zwingend inhaltlich arbeiten. Was die Einsatzminuten angeht, sind wir nach nun vier Testspielen mittlerweile auch rigoros. Wer zum jetzigen Zeitpunkt noch keine 45 Minuten spielen kann, der bekommt sie auch nicht.

DFB.de: Wie waren die ersten Einheiten?

Ziarna: Die Stimmung war von Beginn an richtig gut, sogar euphorisch. Alle haben sich gefreut, sich wieder zu sehen. Wir haben bisher durchweg immer 16 bis 18 Spieler beim Training, sodass wir konzentriert an unserer Spielidee feilen können. Das ist dann wiederum der Vorteil bei zwei Einheiten pro Woche. Der Anreiz zu kommen ist einfach größer, als wenn man mehrere anbietet, wo das ein oder andere Fehlen nicht so ins Gewicht fällt und es sich letztlich einfach mehr verteilt. Es gibt natürlich immer Gründe, wieso jemand auf diesem Niveau spielt. Das kann zum einen an der Qualität liegen, zum anderen an zeitlichen Faktoren oder eben an beidem. Zusätzlich dazu haben sich die Spieler am Wochenende privat in Gruppen getroffen und aus Spaß gekickt. Das war ihr Highlight der Woche und war in der darauffolgenden Trainingswoche immer ein lustiges Gesprächsthema. Die Mannschaft hat einfach Lust aufeinander – sowohl auf als auch neben dem Platz.

DFB.de: Welche coronabedingten Besonderheiten gab es zu berücksichtigen?

Ziarna: Da wir zu Beginn ausschließlich kontaktlos trainiert haben, sind wir dem Problem der Testungen umgegangen, sodass wir letztlich eigentlich wenig zu berücksichtigen hatten. Wir haben die Anwesenheit mittels FLVW-App dokumentiert. Umkleidekabinen und Duschen waren lange gesperrt, sodass auch der Kontakt in Innenräumen keine Herausforderung dargestellt hat. Auch das die Vorbereitung deutlich länger als sonst ist, empfinde ich eher als Vorteil. Wir haben schlichtweg mehr Zeit, um in allen Bereichen bis zum Saisonstart top vorbereitet zu sein.

DFB.de: Wie hat sich der Kader verändert und wie habt ihr Neuzugänge integriert?

Ziarna: Wir konnten soweit alle Spieler an Bord behalten, bis auf die beiden zuvor erwähnten Spieler. Wir haben vier Neuzugänge verpflichtet. Ihre Integration war recht einfach, weil wir zwei Ex-Neuruhrorter zurückgeholt haben, die den Großteil der Mannschaft und den Verein kennen. Die anderen beiden sind von der Qualität so stark, dass die Integration alleine schon durch das Leistungsniveau schnell funktioniert hat. Zudem kannte ich sie beide gut und wusste, dass sie von ihrer Persönlichkeit gut ins Team passen. Das war demnach alles entspannt und problemlos.

DFB.de: Was waren die größten Herausforderungen?

Ziarna: Als die Mitteilung an die Spieler herausging, dass wir wieder trainieren können, waren viele doch überrumpelt. Sie mussten sich alle wieder organisieren und den Fußball in ihren Alltag integrieren. Ein Spieler wollte beispielsweise noch seine Wohnung renovieren, bei einem anderen waren die Arbeitssichten nicht entsprechend geplant usw. Das war zu Beginn nicht ganz so einfach. Genau so verhielt es sich auch im Umfeld. Vorstand und Ehrenamtliche mussten ihre Aufgaben wieder aufnehmen und ihren Alltag dementsprechend anpassen. Das war für alle eine Umstellung, die zum Glück schneller als erwartet funktionierte. Ein weiterer wichtiger Faktor war es, auf unsere Sponsoren zuzugehen und mit ihnen die kommende Saison zu besprechen. Das hat alles enorm viel Energie gekostet.

DFB.de: Welche Schwerpunkte hast du im regulären Trainingsbetrieb gesetzt?

Ziarna: In den ersten Wochen ging es darum, wieder unter Druck Fußball zu spielen. Beim kontaktlosen Training ist das alles logischerweise nicht möglich. Es ging um technisch-taktische Basics und das Finden von Lösungen unter Raum-, Zeit- und Gegnerdruck. Dementsprechend haben wir viel in Spielformen gearbeitet. Da haben wir zu Beginn doch gemerkt, dass sich unsere Spieler wieder daran gewöhnen müssen. Das war sichtlich abhandengekommen. Die Leitungen von der Idee im Kopf bis zur Umsetzung in den Fuß waren eingerostet. Das in Verbindung mit der noch fehlenden Fitness war schwierig und brauchte Zeit. Das Taktiktraining fand zunächst vor allem am Wochenende in den Spielen statt. Wir haben uns immer zwei Stunden vor dem Spiel getroffen, um unsere Spielidee an der Taktiktafel zu vermitteln und dann im Spiel intensiv gecoacht. Die Beobachterrolle habe ich dementsprechend nicht eingenommen.

DFB.de: Wann habt ihr im Training mit der Umsetzung der Spielidee begonnen?

Ziarna: Nach zwei Trainingswochen haben wir uns um die Spieleröffnung aus unserer Grundordnung gekümmert und Abläufe eingeübt. Und das trainieren wir auch bevorzugt, weil ich es aufgrund des Umstandes, dass wir "nur" einen halben Platz zur Verfügung haben, spielnah vermitteln kann. Das ist beim Pressing ein Problem, denn wir spielen Mittelfeldpressing und würden somit immer in den falschen Räumen trainieren. Das Defensivspiel behandle ich demnach weiterhin am Wochenende an der Tafel vor dem Spiel. Das ist ein Learning, das ich aus vorherigen Stationen mitgenommen habe. Außerdem haben wir für alle Positionen Profile erstellt, welches Verhalten wir uns vorstellen. Vor dem Training besprechen wir dieses individualtaktische Verhalten in entsprechenden Gruppen und versuchen so, die geringen Zeitressourcen möglichst effizient zu nutzen.

Cheftrainer René Ziarna erläutert das Defensivspiel lieber an der Taktiktafel ©

Cheftrainer René Ziarna erläutert das Defensivspiel lieber an der Taktiktafel

DFB.de: Welche Saisonziele verfolgst du?

Ziarna: Wir wollen ganz oben angreifen und aufsteigen. Das ist der Grund, wieso ich das Traineramt in Neuruhrort übernommen habe. Ich bin davon überzeugt, dass wir eine Mannschaft beisammenhaben, die es schaffen kann. Natürlich gehören Spielglück, wenige Verletzungen usw. dazu, aber die Voraussetzungen sind erstmal gegeben. Wir sind jedoch nicht der Topfavorit, sondern haben zwei bis drei weitere Konkurrenten auf Augenhöhe.

DFB.de: Wie schnell kann das Leistungsniveau vor Corona wieder erreicht werden?

Ziarna: Wir sind noch nicht auf dem Leistungsniveau vor dem Abbruch. Wir können derzeit eine gute Halbzeit spielen. Danach flacht es deutlich ab. Wir werden vermutlich bis zwei Wochen vor dem Saisonstart (29. August) benötigen, um 90 Minuten unser Spiel auf gutem Niveau durchziehen zu können. Wir sind dann inhaltlich natürlich bei weitem noch nicht fertig, aber die Basics werden dann sitzen.

Das Gespräch führte Thomas Stillitano (Philippka).