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Überzahl schaffen im Spielaufbau

In den vergangenen Jahren hat im Fußball eine Entwicklung von klaren Vorgaben hin zu Prinzipien stattgefunden. Der Vorteil: keinerlei Bindung an Grundordnungen oder Systeme, sondern Schaffen von Orientierungen, die flexibel anwendbar sind und einfachen Regeln folgen. Gerade im Amateurbereich, in dem eine detaillierte Gegneranalyse selten möglich ist, sind Prinzipien ein Mittel, vorbereitet ins Unvorbereitete zu gehen. In diesem Beitrag geht es um das Prinzip "Überzahl im Spielaufbau schaffen". So soll die Ballzirkulation und der -vortrag erleichtert werden.

Prinzipienorientiertes Trainieren und Spielen

Technisch-taktische Inhalte sollten systemunabhängig mit Hilfe von Prinzipien vermittelt werden – insbesondere im Amateurbereich, wo eine detaillierte Gegneranalyse aus vielerlei Gründen schwierig ist und somit jedes Team vor dem Anpfiff auf eine "Überraschung" trifft. So haben alle Spieler Orientierungspunkte und dennoch Freiheiten, um in Spielsituationen angemessen zu handeln. Zu starre Vorgaben führen zu Einschränkungen im Denken und Handeln der Spieler*innen. Zudem machen einstudierte Muster nur dann wirklich Sinn, wenn eben Grundordnung und Spielweise des Gegners bekannt sind. Dann kann man sich gezielt auf bestimmte Verhaltensweisen vorbereiten und eigene Lösungen erarbeiten.

"Plus 1" im Spielaufbau

Für den Spielaufbau ist zunächst maßgeblich, ob mit Vierer- oder Dreierkette gespielt wird und wie viele gegnerische Angreifer den Aufbauspielern gegenüberstehen. Das jeweilige Zahlenverhältnis ergibt sich aus der Gegenüberstellung der Systeme, kann je nach Spielsituation und Verhalten der Akteure jedoch variieren. Um die Ballsicherheit zu erhöhen und das Herausspielen aus der Abwehr zu erleichtern, gilt das Prinzip, Überzahl in der ersten Spielaufbaulinie zu schaffen. Agiert der Gegner mit einer Spitze, genügen also zwei Aufbauspieler. Stört er hingegen mit zwei oder drei Spitzen, bietet sich ein Dreier- bzw. Viereraufbau an. Geht die Strategie des Gegners auf, ist zu überlegen, wie dessen Zugriff aufgelöst und Überzahl geschaffen werden kann. Eine Möglichkeit ist ein Wechsel der Grundordnung, eine andere die dynamische Anpassung der Positionen.

Die Grundordnung verändern

Die Grundordnung einer Mannschaft gibt eine Orientierung der Positionen, kann jedoch je nach Spielidee auch situativ neue Anordnungen schaffen. Sie bietet die Möglichkeit, in bestimmten Zonen durch vordefinierte Raumbesetzungen Überzahl zu schaffen. Spielt der Gegner z. B. im 4-4-2, könnte man dieser Grundaufstellung mit einem 3-4-3 begegnen, wodurch in der ersten Aufbaulinie mit drei Spieler*innen gegen zwei Spitzen des Gegners eine Überzahl geschaffen wäre. Der Torhüter könnte eine solche Rolle theoretisch ebenfalls ausfüllen. Es empfiehlt sich allerdings, diesen in seiner Rolle als Rückpassoption zu belassen, da ansonsten in Drucksituationen eine wichtige Anspieloption fehlt – vor allem bei einem gegnerischen Angriffspressing.

Um gegen ein 4-4-2 in der ersten Aufbaulinie Überzahl zu schaffen, bietet sich eine Grundordnung mit Dreierkette an. Rein numerisch wird demnach in Ebene 1 (gelb schraffiert) im 3 gegen 2 gespielt. Ziel sollte es nun sein, die Halbverteidiger so freizuspielen, dass einer der beiden andribbeln kann und somit Entscheidungsdruck auf die zweite Ebene erzeugt.

Dynamische Veränderung

Eine weitere Möglichkeit, im Spielaufbau Überzahl zu schaffen, sind dynamische Positionsveränderungen. Dabei wird situativ aus dem Spielfluss heraus eine Anpassung der Positionen vorgenommen, wodurch aus einer Gleich- eine Überzahl geschaffen wird. Der Vorteil liegt in der höheren Variabilität und dem Überraschungsmoment. Das gegnerische Team kann sich dadurch nicht vorab auf die Gegebenheiten einstellen, sondern muss situativ Entscheidungen treffen. Die Möglichkeiten, welcher Spieler wohin verschieben kann, um die Überzahl zu schaffen, sind vielfältig. Deshalb sind solche Situationen sehr variabel sowie für den Gegner nur schwer vorherseh- und einschätzbar. Entsprechend sind sie nur sehr schwer zu verteidigen.

Agiert Blau bei eigenem Ballbesitz im 4-4-2, kommt es im Spielaufbau gegen einen Gegner mit derselben Grundordnung zu einer "Spiegelung" und damit zu einer Gleichzahl in der ersten Aufbaulinie (2 Innenverteidiger gegen 2 Spitzen). Dies erschwert das kontrollierte Herausspielen von hinten. Um diese Zuordnung aus dem Gleichgewicht zu bringen, bietet sich ein Dreieraufbau an. Dieser wird in diesem Fall dynamisch aus dem Spielfluss heraus gebildet. Es kann sich beispielsweise ein Sechser zwischen die Innenverteidiger fallen lassen (siehe unten) oder diagonal nach hinten "abkippen" (siehe oben). Insbesondere bei Letzterem ist das "Abkippen" gegen die Verschiebebewegung des Gegners entscheidend. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Positionsveränderung zu Anpassungen auf anderen Positionen führt (z. B. Vorschieben der Außenverteidiger sowie Einrücken der äußeren Mittelfeldspieler).