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1. FSV Mainz 05: Auf der Suche nach der besten Trainingsform

Meist überlegen wir bei der Planung einer Trainingseinheit zuerst, ob wir uns an der aktuellen Situation unserer Mannschaft oder an ihrer langfristigen Leistungsentwicklung orientieren. Danach legen wir den Schwerpunkt fest, z. B. das offensive Zweikampfverhalten. Im nächsten Schritt wählen wir eine dafür geeignete Trainingsform aus, führen sie durch und coachen darin. Stefan Hirschberg, Sportlicher Leiter U8 bis U15 beim 1. FSV Mainz 05, hält das für einen fehlerbehafteten Ansatz, da dadurch oftmals das Falsche gecoacht wird. Er schlägt vor, in diesen Prozess zwei weitere Schritte einzubauen bzw. die Reihenfolge zu verändern: Nämlich nach der Festlegung des Schwerpunkts die Bestimmung konkreter Ziele, dann die Formulierung der dafür geeigneten Coachingpunkte und erst danach die Auswahl der Trainingsform.


Auf der Suche nach der besten Trainingsform

Nicht nur im Spitzenbereich, sondern auch im Amateurfußball sind die Ansprüche an die Trainingsgestaltung gestiegen. Nur noch selten sieht man Spieler ihre Runden auf der Aschenbahn drehen. Wir sind also auf einem guten Weg, den wir vor vielen Jahren mit intelligenten und strukturierten Maßnahmen eingeleitet haben. Uns stehen vielfältige Hilfsmittel zur Gestaltung eines professionellen Trainingsprozesses zur Verfügung – qualitativ hochwertige Fachlektüre in Print- oder Online-Medien, Aus- und Fortbildung in Hülle und Fülle sowie ein spürbar gestiegener Ehrgeiz der Trainer, ein innovatives Training zu gestalten. Abwechslungsreich und effektiv sollen unsere Übungs- und Spielformen sein, gerne auch komplex mit hohen kognitiven und koordinativen Ansprüchen. Um darauf Antworten zu finden, sollten wir zunächst einmal den Zweck des Trainings definieren: Fußballtraining soll einerseits Spaß machen, egal auf welchem Niveau. Aber es soll natürlich auch einen Entwicklungsprozess positiv beeinflussen. Und das erfolgt in erster Linie durch das Coaching des Trainers!

Ziel der Trainingsform

  • Verbesserung des Verhaltens im 1 gegen 1 im Rücken des Angreifers
    • Organisation

      • Ein 25 x 20 Meter großes Feld markieren.
      • 1 Tor mit Torhüter sowie 2 Minitore gemäß Abbildung aufstellen.
      • Mehrere Angreifer B stehen mit Bällen neben den Minitoren, 1 Angreifer C ohne Ball mit dem Rücken zum Tor vor der Strafraumlinie und 1 Verteidiger A 2 Meter hinter ihm.

      Ablauf

      • B passt flach zu C, der sofort von A unter Druck gesetzt wird.
      • A kontert nach Ballgewinn auf ein beliebiges Minitor.
      • Sollte nach 30 Sekunden kein Tor erzielt worden sein, den Angriff abbrechen (Alternative: Nach 20 Sekunden einen zweiten Ball einspielen).
      • A wechselt zu B, B zu C und C zu A.

      Variationen

      • Den Abstand zwischen A und C vergrößern.
      • Statt der Minitore oder des Großtores eine Dribbellinie markieren.
      • 1 gegen 1 auf 1 gegen 2: Nach einem Ballgewinn von A startet B ins Feld, um gemeinsam mit C den Konter zu verhindern.

      Schritt 1: Ausgangslage beachten

      • Fokussierung auf die Ausbildungsperiodisierung und Einbeziehung akuter Defizite: Laut dieser steht die Festigung des individualtaktischen Zweikampfverhaltens auf dem Programm.
      • Besonders das Verteidigen im Rücken des Angreifers läuft oft noch zu ungestüm ab, sodass viele unnötige Fouls gegen die körperlich meist überlegenen Gegner produziert werden, die naturgemäße Vorteile bei Standardsituationen haben.

      Schritt 2: Schwerpunkte festlegen

      • Taktische Fokussierung: defensives Zweikampfverhalten im Rücken des Angreifers
      • Technischer Randschwerpunkt: vertikales Passspiel

      Schritt 3: Ziele definieren

      • Balleroberung mit aktivem und fairem Zweikampfverhalten
      • zielgerichtete, möglichst vertikale Spielfortsetzung nach Ballgewinn

      Schritt 4: Coachinghinweise formulieren

      • permanenter Blick auf den Ball
      • Seitlich versetzte Position zum Gegner einnehmen (Seite anbieten).
      • Idealabstand halten (ca. 0,5 Meter)
      • Aktiv bleiben, ohne die Geduld zu verlieren.
      • Zum Mitspieler drängen bzw. den Ball im ‘Drehmoment’ attackieren

      Schritt 5: Trainingsform auswählen

      • siehe Beispiel

      Hinweise

      • Die konkrete Ausgestaltung der periodisierten Schwerpunkte kann durchaus in Verbindung zum akuten Bedarf gewählt werden. In diesem Fall passen beide zusammen.
      • Das Coaching lenkt die Trainingsform!
      • Die Coachinghinweise sind bewusst nicht vollständig, um eine Fokussierung auf die relevanten Inhalte zu erreichen und eine Überforderung zu vermeiden.


Das WIE macht den Unterschied

Wenn Coaching nicht nur vom Wissen des Trainers abhängig ist, sondern vor allem vom Wissen und der Aufnahmekapazität des Spielers, ist die einzig logische Schlussfolgerung, dass es akribisch geplant werden muss. Das aber ist ein Schritt, den nur wenige Trainer in Betracht ziehen, geschweige denn regelmäßig einsetzen. Ob das Ziel der Einheit nun der langfristigen Leistungsentwicklung oder dem akuten Bedarf dient – beides gibt der Planung einen Rahmen. So weit, so gut. Doch was folgt anschließend? Übung auswählen, ab auf den Platz und drauflos coachen? Nein, denn zwei wichtige Schritte bzw. Filter fehlen noch. Dazu geben wir der Planung jeder Trainingsform eine feste Struktur, die das Coaching zu einem bewussten Prozess macht. Das Training erhält so einen Coachingrahmen, den ich situativ erweitern oder reduzieren bzw. auf ausgewählte Elemente fokussieren kann. Im ersten Schritt ist die Ausgangslage zu beachten. Das kann der akute Bedarf oder das vom Trainer entwickelte oder vom Verein vorgegebene Ausbildungs- bzw. Spielkonzept sein, nach dem in bestimmten Phasen bestimmte Schwerpunkte im Fokus stehen sollen, z. B. das offensive Zweikampfverhalten (Schritt 2). Aus diesen Schwerpunkten lassen sich dann Trainingsziele ableiten, wie etwa das Dribbling bzw. Fintieren (Schritt 3). Dazu gehören jeweils bestimmte, am Leistungsstand der Spieler orientierte Coachingpunkte – der Abstand zum Gegner, der Einsatz einer bestimmten Finte sowie deren Bewegungsmerkmale (Schritt 4). Erst danach folgt Schritt 5: Der Coach überlegt, in welchen Trainingsformen er diese Hinweise am besten rüberbringen kann. Besonders in reinen Spielformen werden nämlich häufig zahlreiche Inhalte mit einander vermischt bzw. verknüpft, wodurch mit dieser ansteigenden Komplexität natürlich auch die Anzahl der ‘coachbaren’ Elemente steigt.

Allerdings ist das Risiko, zwischen einzelnen Themen hin und her zu springen und sich auf Inhalte zu fokussieren, die sich zwar auf die Trainingsform, jedoch nicht auf die Schwerpunkte und Ziele konzentrieren, sehr hoch. Und seien wir ehrlich: Gerade der motivierte, kreative und qualifizierte Trainer neigt schnell dazu! Zumal die Möglichkeiten des Coachings schon innerhalb eines einzigen Schwerpunkts höchst vielfältig sein können. Es ist zu empfehlen, zunächst alle für den jeweiligen Trainer bzw. Verein relevanten Coachinghinweise zu Technik, Taktik und Kondition zusammenzutragen. Dieser Überblick erleichtert anschließend deren gezielte Auswahl, sodass auf Dauer ein wiederholtes und mühseliges Suchen und Herausfiltern entfällt.

Weitere Best-Practice-Beispiele sind unter 'Themenverwandte Links' zusammengestellt.