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VfL Wolfsburg: Auf leisen Pfoten nach Europa

Vier Unentschieden und ein knapper 2:1-Erfolg gegen Arminia Bielefeld sorgten für einen eher mäßigen Saisonstart der Wolfsburger. Die Mannschaft von Oliver Glasner zeigte sich zwar defensiv schon stabil, brachte dafür aber die offensive Qualität nicht auf den Rasen. So erzielte man in den ersten fünf Spielen lediglich vier Treffer, wenngleich mit Wout Weghorst der viertbeste Torjäger der vorigen Bundesligasaison zur Verfügung stand.

Glasner, der sein Team in der Regel im 4-2-3-1 auf den Rasen schickt, hatte zu Beginn der Saison Schwierigkeiten seine "Stammelf" zu finden. Der Österreicher hatte in der abgelaufenen Saison lange am 3-4-3 festgehalten, ehe er auf 4-2-3-1 umstellte und die Viererkette etablierte. Auch mit der Zehner-Position kam eine neue Rolle ins Spiel der Wölfe, die fortan adäquat ausgefüllt werden musste. Yunus Malli und Admir Mehmedi konnten die Anforderungen Glasners jedoch nicht vollumfänglich erfüllen, weshalb man Maximilian Philipp aus Moskau zurück in die Bundesliga holte. Philipp sollte als hängende Spitze Weghorst den Rücken freihalten und ihn mit den entscheidenden Zuspielen füttern, um das offensive Potenzial auszuschöpfen. Doch auch dieser Plan entsprach nicht Glasners Vorstellung. Erst mit Yannick Gerhardt, der zuvor häufiger auf der Sechs ran musste, fand der Coach den Zehner, der sein System bestmöglich umsetzen konnte.

Baku schiebt den Wagen an

Ein weiteres Problem der Wölfe, welches in diesem Zusammenhang zunächst nicht offensichtlich erscheint, war die Besetzung der rechten Verteidigerposition. Mit Mbabu und William fehlten die beiden etatmäßigen Antreiber auf der rechten Seite, weshalb der VfL mit Ridle Baku einen Ersatz vom Ligakonkurrenten aus Mainz loseiste. Baku, der sich nach eigener Aussage eher im zentralen Mittelfeld zuhause fühlt, füllte die Rolle des Rechtsverteidigers so gut aus, dass er wenige Wochen später seine erste Nominierung für die A-Nationalmannschaft erhielt. Nach zwei ordentlichen Partien gegen Gladbach und Bielefeld wurde Baku gegen die Hertha erstmalig selbst zum Torschützen und zeigte, warum die Außenverteidiger in Glasners System so wichtig sind:

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Brekalo dribbelt an und lockt dadurch den ballnahen Verteidiger, um anschließend den Tiefenpass auf Philipp zu spielen. Währenddessen hält Baku auf der gegenüberliegenden Seite die Breite und nimmt die Situation wahr.

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Im Strafraum gilt die ganze Aufmerksamkeit natürlich zunächst Weghorst, der zum ballnahen Pfosten läuft. Baku, der inzwischen in den Strafraum nachgerückt ist, bietet sich für ein Zuspiel im Rücken der Abwehr an, das er auch erhält.

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Baku lässt Cunha (ZOM) aussteigen, indem er den Ball in die Gegenbewegung des heraneilenden Brasilianers mitnimmt, und bringt sich anschließend in Schussposition.

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Baku schließt in den ballnahen Winkel ab und erzielt so seinen ersten Treffer für die Wölfe.

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Lacroix passt zu Baku in die Tiefe, der als Rechtsverteidiger weit aufgerückt ist und zentral vor dem Tor eine zusätzliche Anspielmöglichkeit bietet.

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Da niemand Baku in dieser Position erwartet, fühlt sich keiner für ihn verantwortlich. Er nutzt den Raum, dreht auf und begibt sich sofort in eine Abschlussposition.

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Mit dem (vermeintlich) schwächeren linken Fuß schließt Baku von der Straufraumgrenze unhaltbar ab.

Der Neuzugang verkörpert den modernen, ganzheitlich ausgebildeten und vielseitig einsetzbaren Spieler wie kein Zweiter im Kader der Wölfe. Den vielen starken Einzelspielern sind meist klare Rollen zugewiesen, die deutlich auf das jeweilige Fähigkeitenprofil abgestimmt sind. Baku lockert diese Strukturen etwas auf und sorgt für Flexibilität und Überraschungsmomente. Seit der Rückkehr von Kevin Mbabu weiß Glasner die Stärken Bakus eine Linie weiter vorne einzusetzen. Fortan rotiert Baku nahezu frei durch die offensive Dreierreihe. Flügelwechsel mit Renato Steffen oder einfache Positionswechsel mit Yannick Gerhardt sind keine Seltenheit im Spiel der Wolfsburger. Während andere Mannschaften durch solche Rotationen mitunter selbst im Chaos versinken, wissen die Wolfsburger auf diese Weise den Gegner in chaotische Defensivstrukturen zu zwingen.

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Lacroix dribbelt an und lockt dadurch den Freiburger Defensivverbund. Im Rücken der aufrückenden Freiburger tauschen Baku und Gerhardt die Positionen.

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Nach dem Andribbeln passt Lacroix zu Gerhardt in die Tiefe, der einen Gegenspieler im Rücken hat. Gleichzeitig setzt sich Baku ein Stück nach hinten ab.

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"Steil-Klatsch" aus dem Lehrbuch: Gerhardt lässt den Steilpass von Lacroix zu Baku klatschen, der sich um den heraneilenden Sechser dreht und so die offene linke Spielfeldhälfte vor sich hat.

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Mit dieser Aktion bindet Baku beide gegnerischen Sechser, wodurch Steffen im Zentrum anspielbar ist. Baku passt zu Steffen, der den Raum nutzt und auf die letzte Verteidigungslinie der Freiburger zudribbelt. Weghorst bindet bewusst den ballnahen Innenverteidiger, sodass Steffen Tempo aufnehmen kann, ehe er unter Druck gesetzt wird.

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Durch diese provozierte Verzögerung hat Steffen genug Zeit und Raum, um den anschließenden Schnittstellenpass durch das Abwehrdreieck der Freiburger zu spielen. Weghorst läuft mit dem Pass hinter die Kette in den Strafraum ein.

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Wolfsburgs Topscorer (14 Tore, 4 Vorlagen) verwandelt technisch anspruchsvoll mit dem rechten Außenrist.

Variantenreicher Aufbau

In den oben gezeigten Szenen wird deutlich, dass die Wölfe darum bemüht sind, den Ball schnell in die gegnerische Hälfte zu bringen und keine langen Ballbesitzphasen in der eigenen Hälfte anstreben. Dazu rücken die Innenverteidiger weit bis an die Mittellinie und darüber hinaus vor, dribbeln aggressiv an und spielen häufig vertikal auf die Spieler, die sich bewusst zwischen den Linien anbieten. Die Außenverteidiger halten sich hingegen weitestgehend aus dem Spielaufbau heraus und verleihen dem Spiel die nötige Tiefe und Breite, um die progressiven Pässe und Dribblings zu ermöglichen. Doch auch im Aufbau zeigen sich die Wölfe variabel: Arnold oder Schlager lassen sich beispielsweise auf die freiwerdende Außenverteidigerposition neben den ballführenden Innenverteidiger fallen, sodass ein Dreier-Aufbau entsteht. Allerdings kommen je nach Situation auch Aufbaumuster vor, in denen einer der Sechser zwischen die Innenverteidiger fällt oder Brooks und Lacroix alleine aufbauen.

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Schlager lässt sich in den Raum fallen, den Otávio "freigegeben" hat und bietet so eine Anspielstation für Brooks. Mit dem Zuspiel löst das Pressing der Augsburger aus, welches allerdings darauf abzielen sollte, den Außenverteidiger zu attackieren. Schlager lässt den heraneilenden rechten Mittelfeldspieler (RM) aussteigen und passt nach außen zum freistehenden Otávio.

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Nachdem die Pressinglinie überspielt ist, "packt" Augsburg zu. Otávio hat jedoch genug Zeit und Raum, um den Ball perfekt in den Lauf von Schlager zu spielen, der mit dem ersten Kontakt gegen die heranstürmenden Augsburger in die Gegenbewegung mitnimmt.

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Mit dieser Art von Positions- bzw. Rollenwechsel konnten die Wölfe mit wenigen Aktionen gleich vier Gegner aus dem Spiel nehmen. Schlager kann nun Tempo aufnehmen und auf die letzte Linie der Augsburger zudribbeln.

Angriff ist die beste Verteidigung

Wolfsburg stellt die zweitbeste Defensive der Liga – und das, obwohl (oder gerade weil) Glasner sein Team früh anlaufen und stark gegenpressen lässt. Diese Strategie erfordert ein hohes Maß an Konzentration, taktischer Disziplin und mannschaftlicher Geschlossenheit. Kleinste Fehler und Unaufmerksamkeiten können dieses Konstrukt zu Fall bringen und gefährliche Konter zur Folge haben. Doch spätestens seit Gerhardt seine Rolle als Zehner gefunden hat, greift das Pressing nahezu perfekt. Weghorst und Gerhardt laufen die gegnerischen Aufbauspieler abwechselnd an. Zumeist wird der Aufbau nach außen gelenkt, wo mit Baku und Steffen zwei quirlige und zweikampfstarke Mittelfeldspieler auf die Eroberung lauern. Unterstützt werden sie dabei von Schlager und Arnold, die ebenfalls sehr energisch Druck ausüben. Die dadurch geöffneten Räume im Zentrum werden meist von Brooks und Lacroix aufgefüllt, die mutig nach vorn verteidigen und nach hinten von den pfeilschnellen Mbabu und Otavio abgesichert werden.

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Gerhardt läuft den ballführenden Innenverteidiger im Bogen an, um einen Querpass zu vermeiden und den Pass nach außen zu provozieren. Baku, der zunächst die Tiefe sichert, startet mit dem Zuspiel in Richtung Ball. Auch Schlager begibt sich in unmittelbare Ballnähe.

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Der Außenverteidiger ist aufgrund der Seitenlinie in seinen Spielmöglichkeiten limitiert. Wolfsburg läuft die wenigen verbleibenden Spielrichtungen zu und erobert den Ball.

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Nach der Eroberung passt Baku zu Gerhardt und bindet den aushelfenden Sechser (ZDM) an der Außenlinie. Gerhardts nachfolgende Hereingabe wird zwar vom Innenverteidiger (IV) abgefangen, allerdings bereiten die Wölfe – hier Schlager und Arnold – schon das Gegenpressing vor.

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Der IV erhält sofort Druck von Schlager und sieht sich gezwungen, den Ball wieder weit in Richtung Außenlinie zu schlagen.

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Weil Mbabu bereits in der eigenen Ballbesitzphase den Kontakt zum gegnerischen Stürmer (ST) gehalten hat, kann er den Pass erfolgreich abfangen und den Ball für sein Team zurückerobern.

Über Konstanz zum Erfolg

Die Wölfe haben sich gefunden und auch Glasner scheint schlussendlich zufrieden zu sein. Fünfmal in Folge schickte er zuletzt die selbe Elf auf den Rasen und holte aus diesen Spielen 13 Punkte – ohne ein Gegentor zu kassieren. Im Gegensatz zu Bayern, Leipzig, Leverkusen, Dortmund und Gladbach ist Wolfsburg nicht vom eng gestrickten Spielplan durch den internationalen Wettbewerb betroffen und muss daher nicht rotieren. Ein Vorteil, der ihnen den Weg in ebendiesen ebnen könnte.

Autor: Felix Melchers / Philippka


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