Das DFB-Leadership-Programm hat es sich zur Aufgabe gemacht, für mehr Vielfalt in den Gremien zu sorgen. Eine der Absolventinnen ist Ulrike Balzer, die heute Vorsitzende des Ausschusses für Frauen- und Mädchenfußball im Landesverband Mecklenburg-Vorpommern ist und als Vorbild für "Female Leadership" in der deutschen Fußballlandschaft steht.
Inzwischen hat der DFB das Programm in seinen Masterplan für den Amateurfußball aufgenommen und den Staffelstab an die Landesverbände weitergereicht. In Mecklenburg-Vorpommern plant man die Durchführung eines Leadership-Programms im größeren Rahmen, nicht nur für Frauen, sondern unter anderem auch für Menschen mit familiärer Einwanderungsgeschichte und dem jungen Ehrenamt, wie Balzer im Gespräch mit DFB.de sagt: "Im Frauen- und Mädchenfußball schlummert unheimliches Potenzial. Ich sehe es als meine Aufgabe an, dieses auszuschöpfen."
"Fußball darf keine Geschlechterfrage sein"
Die ehemalige Auswahlspielerin und unter anderem langjährige Trainerin des FC Hansa Rostock und Rostocker FC hatte schon einige Erfahrung in der Verbandsarbeit, als sie sich 2018 die Frage stellte: "Bleibe ich weiterhin einfaches Mitglied oder stelle ich mich zur Wahl, um als Entscheidungsträgerin Ziele zu formulieren und an deren Umsetzung zu arbeiten?"
Balzer tat Letzteres mit Erfolg. Als nun Vorsitzende des Ausschusses für Frauen- und Mädchenfußball des Landesfußballverbandes Mecklenburg-Vorpommern hat sie Strukturen geschaffen, die in ihrem Landesverband Spielangebote für Frauen und Mädchen aller Altersklassen ermöglichen. Doch dabei soll es nicht bleiben: "Mein großes Ziel und meine Hauptaufgabe ist es, jedem Mädchen, das Fußball spielen will, ein Angebot zu machen. Denn Fußball darf keine Geschlechterfrage sein", erklärt Balzer weiter. Dafür brauche es noch mehr ehrenamtlich engagierte Menschen, die bereit seien, mit anzupacken.
Die heutige Grundschullehrerin kam zum Fußball, weil sie in ihrer Kindheit nicht immer nur den Jungen aus ihrem Dorf zuschauen wollte: "Das war mir zu langweilig, also habe ich gefragt, ob ich mitspielen dürfe. Von da an hat mich die Faszination des Sports in ihren Bann gezogen." Nachdem sie bei Turnieren schnell auffiel, erfolgte der Umzug in die Sportschule Neubrandenburg, praktischerweise zog ihre Familie gleich mit. "Das eigene Bundesland vertreten zu können und vor allem die Auf- und Abstiege mit dem 1. FC Neubrandenburg 04 zu erleben, war aufregend. Eine spannende Reise, die bis heute andauert."
Persönliche Weiterentwicklung durch DFB-Leadership-Programm
Von 2016 bis 2017 absolvierte Balzer das DFB-Leadership Programm. Versprochen hatte sie sich damals vor allem persönliche Weiterentwicklung und noch intensiveren Austausch mit anderen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern. "Die drei Module Führung und Selbstmanagement, Kommunikation und Veränderungsmanagement haben mir spannende Einblicke gewährt. Besonders prägend war jedoch der ständige Austausch mit meinem Mentoring-Partner Frank Pohl, dem damaligen Geschäftsführer des Sächsischen Fußballverbands. Ein Jahr lang intensiv miteinander sprechen zu können, Bestärkung der eigenen oder auch die Darlegung einer anderen Perspektive zu erfahren, war unheimlich wertvoll und hat mich definitiv weitergebracht. Das trifft generell auf alle damaligen Workshops und das Feedback der anderen Teilnehmerinnen zu. Die Übergabe der Zertifikate im Beisein der Landes- und des DFB-Präsidenten hat die Sache zusätzlich sehr wertschätzend abgerundet", erinnert sich Balzer.
Der Kontakt der Teilnehmerinnen ist bis heute nicht abgerissen, wie sich auf der jährlichen Tagung zuletzt wieder gezeigt hat. DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg zog eine insgesamt positive Bilanz unter das abgelaufene Jahr der Auswahl- und Nationalmannschaften. Daneben wurde die weitere Förderung des Frauen- und Mädchenfußballs diskutiert. "Sehr spannend war die Frage, wie man Spielerinnen langfristig für den Fußball gewinnen und sie an ihn binden kann. Neben Themen wie Schule oder Arbeit war es die einhellige Meinung, dass es entscheidend ist, wie sich der Verband positioniert. An seinem Beispiel richten sich Vereine sowie Trainerinnen und Trainer aus.
Der dritte Bereich umfasst das persönliche Umfeld der Spielerin. Auf diesen Ebenen ergeben sich verschiedene Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten. Der größte Ansatzpunkt ist es, den Verband für Frauen und Mädchen attraktiv zu gestalten. Es gilt, die Interessen der Spielerinnen zu berücksichtigen und Entwicklungsmöglichkeiten zu geben. Wir sollten in den Mädchen und Frauen ein großes Potenzial an Spielerinnen, Trainerinnen, Schiedsrichterinnen und Funktionärinnen sehen, damit möglichst viele Frauen und Mädchen Fußball spielen und überdies auch Ämter und Funktionen übernehmen", gibt Balzer einen Einblick in die Gespräche.
"Seid mutig und übernehmt Verantwortung"
Natürlich wurde auch die aktuelle Situation des Amateurfußballs angesprochen: "Durch die Corona-Pandemie ergeben sich unter anderem bei der Mitgliederentwicklung und Bindung des Ehrenamts natürlich Fragezeichen. Es wird spannend, zu sehen, wie sich die Situation darstellt, wenn wir wieder loslegen dürfen. Ich sehe darin aber auch eine Chance, dass gerade die Mädchen große Lust auf Fußball haben oder entwickeln. Der Bewegungsdrang bei Kindern beziehungsweise Jugendlichen ist definitiv vorhanden und die Sehnsucht nach dem Team groß, das sehe ich jeden Tag in der Schule", so Balzer und blickt optimistisch in die Zukunft.
Sie ist sich zudem sicher, dass der Frauen- und Mädchenfußball in den kommenden Jahren eine noch gewichtigere Rolle im deutschen Fußball einnehmen könnte. Dafür hofft Balzer, dass noch mehr ihrem Beispiel folgen: "Ich kann nur sagen, seid mutig, macht den Mund auf und übernehmt Verantwortung. Denn der schlimmste Fehler von uns Frauen ist unsere Zurückhaltung."